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Luca Toni

In San Vito kamen Lukas und Eva an Bord und wir bereiteten uns auf die Überfahrt nach Sardinien vor. Zwei Tage später sollte es ein geeignetes Wetterfenster geben, das wir nutzen wollten. Denn allzu oft weht der Wind dort aus Nordwest bis West und macht ein Segeln auf direktem Kurs damit unmöglich. Also keine Chance verstreichen lassen! Einen weiteren freien Tag in San Vito hatten wir dadurch aber noch und so gingen wir erneut Klettern. Auf dem Weg schloss sich uns ein süßer Welpen an, der ausdauernd gestreichelt werden wollte und uns dann auf dem gesamten weiten Weg zum Felsriegel am Meer über Stock und Stein folgte. Ein Halsband oder irgendeine andere Markierung trug er nicht und so waren wir unsicher, ob er auf der Straße lebte (vermutlich?) oder doch irgendjemandem gehörte. Als wir kletterten, legte er sich auf Fredis Jacke in den Schatten und schlief tief und fest. Wir tauften den kleinen Hund “Luca Toni” und er wuchs uns schnell ans Herz. Doch die ganze Zeit beschäftigte uns die Frage, was wir wohl machen sollten, wenn er uns jetzt bis zum Schiff hinterherliefe. Eigentlich würden wir ihn sofort mitnehmen, andererseits wäre ein anstehender Segelschlag von 172 Meilen über zwei Tage über die offene See nicht perfekt geeignet, um einen kleinen Hund schonend an das Leben an Bord zu gewöhnen. Und wenn er doch jemandem gehörte, bei dem es ihm gut geht? Insgeheim hoffte ich, dass das Tier auf dem Rückweg im Dorf einfach in seine gewohnte Umgebung zurücklaufen würde und uns die schwere Entscheidung erspart bliebe. Nachdem wir ein paar Routen geklettert waren, traten wir den Rückweg an. Motiviert tapste uns Luca Toni mit seinen kurzen Beinen hinterher und nutzte den Weg, um dies und das zu entdecken und zu lernen. Zum Beispiel, dass nicht zwangsläufig der ganze Hund durch eine Zaunlücke passt, nur weil der Kopf hindurchpasste (wir bugsierten ihn rückwärts wieder hinaus). Vor dem Einkaufsladen im Dorf kam uns dann eine aufgeregte Frau entgegen, die schon den ganzen Tag ihren Hund gesucht hatte und jetzt den Freudentränen nah war, als wir ihr Luca Toni übergaben. Er halte sich einfach nicht an Regeln und ein Halsband lehne er auch ab, sagte sie. Sie schien ihren Hund sehr zu lieben und wir waren froh, ihn guten Gewissens in die Hände seiner Eignerin zurückgeben zu können.

Am nächsten Morgen liefen wir vor Sonnenaufgang aus und setzten Kurs auf Sardinien. Eine Stunde nach dem Start lebte der Südwind frisch auf und blies uns mit hoher Geschwindigkeit bis wenige Stunden vor die sardische Küste, die wir am folgenden Nachmittag erreichten. Nach 34 Stunden auf See und einem Spaziergang über den weiten Sandstrand und der dahinter liegenden Marschlandschaft fielen wir ins Bett. An den nächsten Tagen segelten wir mit kürzeren Schlägen über Villasimius nach Cagliari, wo wir in der Bucht vor der Stadt noch einen Kletterstopp einlegten und auf den letzten Seemeilen ein Gewitter mit Hagel auf die Nase bekamen.

 

In Cagliari ging Eva von Bord und Lukas’ Freundin Helen stieß zu uns. Die nun vor uns liegende Südküste Sardiniens überraschte uns mit ihrer Schönheit! Sandstrände, türkisblaues Wasser, Felsen und blühende Pflanzen und das alles bei schwachen Winden und strahlendem Sonnenschein ließen ein regelrechtes Südseegefühl in uns aufkommen. In gemütlichem Tempo und mit mehreren Landgängen erreichten wir die Westseite Sardiniens, wo wir im Hafen von Portoscuso festmachten und wo uns Lukas und Helen verließen.

 

 

Nach einem Pausentag kamen Matthias und Andy zum SKS-Ausbilungstörn an Bord. 10 Tage hatten wir eingeplant, um den Prüfungsort Palma de Mallorca zu erreichen und auf dem Weg genügend Zeit zum Trainieren zu haben. Das Wetter sah jedoch denkbar schlecht aus: Starker Mistral über fünf Tage mit in Spitzenzeiten bis zu 5m Wellenhöhe war vorhergesagt, definitiv kein Wetter, um die 200 Seemeilen lange Überfahrt nach Menorca anzutreten, und dann auch noch gegen den Wind. So nutzten wir den ersten, noch schwachwindigen Tag, um nach Torregrande in der Bucht von Oristano zu segeln, wo wir zumindest an einem Teil der folgenden Tage die Chance haben würden, trotz starken Windes in der gut geschützten Bucht mit wenig Welle zu trainieren. Und das taten wir auch: Immer, wenn es ging, fuhren wir hinaus und trainierten die prüfungsrelevanten Manöver. Nach fünf Tagen im Hafen von Torregrande nutzten wir die Chance und stachen in See in Richtung Balearen. Die See war noch sehr hoch, aber der Wind drehte zunehmend so, dass wir hoch am Wind auf einem Bug bis nach Menorca segeln konnten. Wieder einmal etwa 35 Stunden auf See, und dann auch noch auf ungemütlichem Kurs gegen die Welle waren wahrhaftig keine Freudfe, aber wir überlebten es und segelten immerhin schnell über zwei Tage und eine Nacht, bevor in der zweiten Nacht kurz vor Mitternacht der Anker in der Bucht vor Mahon fiel. Nur eine kurze Nacht gönnten wir uns, denn wir mussten weiter nach Mallorca und Manövertraining, vor allem An- und Ablegen, stand auch noch aus. In Porto Cristo an der Ostküste ging Fredi von Bord und würde ein paar Tage mit ihrer Mutter im Hotel auf Mallorca verbringen. Ich war sehr neidisch! Wir trainierten noch ein paar Manöver und mit nachlassendem Wind motorten wir ums Kap herum, um vor San Jordi vor Anker zu gehen. Die kurze Überlegung, uns in das Frühstücksbuffet des nebenan liegenden Sternehotels zu schleichen, verwarfen wir und starteten in Richtung Palma de Mallorca. Gerade einmal der Rest des Nachmittags blieb uns für die Prüfungssimulation, bevor am nächsten Vormittag die Prüfer an Bord kamen. Die Prüfer waren, wie so oft, echt spezielle Typen, aber es klappte alles gut und wir belohnten uns mit einem Abendessen in der überraschend sehenswerten Innenstadt von Palma. Hier gab es keine Spur von Sauftourismus, eher feine Boutiquen und belebte Fußgängerzonen mit vielen Tapasbars in nettem Ambiente. Nach einer zweiten Nacht im königlichen Yachtclub von Palma verließen uns die beiden und Fredi, Claudia und ich verlegten die Yacht ins 20sm entfernte Port d’Anthrax, wo die Liegegebühren deutlich erschwinglicher waren. Zufällig begegnete uns die Segelyacht von Jeff Bezos und musste uns zu unserer großen Freude sogar ausweichen, was sie auch ordnungsgemäß tat!

Vulkane!

Zügig umrundeten wir die Südspitze Kalabriens und mit Blick auf den schneebedeckten Ätna erreichten wir die Straße von Messina. Die Nachtfahrt in die Straße hinein war ein einmaliges Erlebnis: Das Lichtermeer der Großstädte auf beiden Seiten, der Sternenhimmel über uns und die schwach funkelnden Lampen der zahlreichen Fischerboote auf dem Wasser. In Reggio di Calabria übernachteten wir in der schlimmsten, dafür aber auch teuersten Marina unseres bisherigen Törns: Der Hafen lag direkt unterhalb einer mehrstöckigen, in die steile Küste gebauten Galerie, deren Basis ein belebter Bahnhof bildete. Ein Stockwerk höher befand sich die Autobahn. Die Geräuschkulisse wurde von den großen Wellen der in regelmäßigen Abständen ein- und auslaufenden Schnellfähren nach Sizilien abgerundet. Aber immerhin war es nur für eine Nacht und der Alternativhafen im gegenüber liegenden Messina war noch schlechter bewertet. Am nächsten Morgen ging es mit stark auffrischendem Südwind durch die Straße von Messina weiter nordwärts. Mit sieben Knoten Fahrt schlugen wir Haken zwischen den vielen Fähren hindurch, überquerten das Verkehrstrennungsgebiet (eine Art Autobahn für große Schiffe) und segelten ins Tyrrhenische Meer hinein. Auf westlichem Kurs ging es küstenparallel weiter nach Milazzo, wo wir drei Tage blieben, um ein Starkwindsystem abzuwettern. Die Zeit nutzten wir, um mit einem Mietauto Sizilien zu erkunden und Wandern zu gehen. Milazzo selbst war sehr schön auf einer Halbinsel gelegen und hatte eine wunderschöne alte Festung. Ansonsten gab die Stadt nicht sehr viel her, aber ihr kulinarisches Angebot genossen wir in vollen Zügen: hervorragende Pizza, Eis, Croissants, Capuccino und die sizilianische Spezialität “Cannoli”, mit einer Ricottacreme gefüllte Teigröllchen.


Als der Wind abflaute, nahmen wir Kurs auf die Liparischen Inseln. Der fortwährend vor sich hin dampfende Vulkan auf Vulcano war inzwischen leider für die Besteigung gesperrt worden bzw. nur noch als geführte Wanderung möglich. Wahrscheinlich, damit sich ein eventueller Ausbruch mehr lohnt, weil dann immerhin gleich eine ganze Gruppe ums Leben kommt. Doch jetzt in der Nebensaison wurden ohnehin keine geführten Touren angeboten, sodass sich die Frage nicht stellte, ob wir dafür Geld ausgeben wollten. Bei angedrohten und laut Internet wohl auch häufiger mal verhängten Strafen von 500€ nahmen wir von einer illegalen Wanderung lieber Abstand. Vom ebenfalls schönen und legalen Nachbarberg konnte ich immerhin mit meinem Gleitschirm starten, meine erste Fluggelegenheit seit Beginn des gesamten Törns! Doch einen richtigen Vulkan sollten wir durchaus noch zu Gesicht bekommen: In den Sonnenuntergang hinein fuhren wir vor die Insel Stromboli, deren gleichnamiger Vulkan alle paar Minuten eine kleine Portion Feuer spuckt, die größeren Eruptionen begleitet von einem beeindruckenden tiefen Donnern. Wir stellten den Motor ab und trieben völlig allein in tiefschwarzer Nacht auf dem Meer, das durch Leuchtalgen und Leuchtquallen blau schimmerte, während zwei Delfine unser Schiff umschwammen. Es war ein gleichermaßen majestätisches wie gespenstisches Erlebnis! Wir mussten an “den Schwarm” denken…

 

Vor Panarea fiel der Anker und am nächsten Tag wanderten wir auf den zur Westseite steil abfallenden höchsten (und einzigen) Berg der Insel, ebenfalls einen, wenn auch inaktiven, Vulkan.

 


Weiter ging es unter Segeln nach Cefalu auf der Nordseite Siziliens, einem malerischen Städtchen am Fuße eines gewaltigen Felsens. Hier durften wir einen Tag länger bleiben als geplant, denn am nächsten Morgen sprang unser Motor einfach nicht an. Beim Drehen des Zündschlüssels passierte einfach überhaupt nichts. Wir überprüften alles, was wir konnten, aber es war kein Fehler zu finden: Die Batterie war ausreichend geladen und alle Kabelverbindungen intakt, aber der Anlasser bekam keinen Strom. Fredi fragte in der Bar bei den Fischern nach, während die Bardame übersetzte und in Erfahrung brachte, dass es hier wohl “Mecanico Cosimo” gab, der um 15 Uhr im Hafen sei. Wie die meisten hier sprach auch er kein Wort Englisch, aber das Problem war schnell vorgeführt und so machte er sich an die Arbeit. Durch meine Sprachbarriere war es mir leider nicht möglich, zu erklären, was wir alles schon versucht hatten und so machte er sich ans Durchmessen der Batterien, schaltete den Batteriehauptschalter mehrmals aus und wieder an, während ich immer wieder versuchen sollte, den Motor zu starten. “Accende” heißt offenbar “Starten” und “stacca” “stoppen”, so viel hatte ich schnell gelernt. Ein weiteres Wort verstand ich nicht, aber er erklärte es kurzerhand durch das entsprechende Geräusch: “Wrrrrruuuum, wrrrruuuum!”, also “Gas geben”. Nichts half und so stand Cosimo letztendlich vor unserem auf Deutsch beschrifteten elektrischen Schaltpanel, wo er vermutete, dass unser Wassertankstandanzeigenumschalter (schaltet die Füllstandanzeige von Tank 1 zu Tank 2 um) der Umschalter von Start- und Verbraucherbatterie wäre. Nein, “agua”, sagte ich, “blubb, blubb, blubb”. Trotzdem betätigte er den Umschalter ein paar Male und siehe da, der Motor ließ sich problemlos starten! Und das reproduzierbar. Wir hatten keine Ahnung, warum, und wussten auch nicht, ob Cosimo irgendeine Ahnung hatte, warum. Aber da inzwischen 6 Wochen ins Land gezogen sind, kann ich behaupten, dass er den Motor erfolgreich “repariert” hat. Immerhin war es günstig und schnell.

Mit einem Zwischenstopp segelten wir in das uns schon von zwei Landurlauben bekannte San Vito lo Capo, wo wir ein paar Tage Pause und Zeit zum Klettern und ich für einen weiteren Gleitschirmflug hatten, bevor wieder eine Crew an Bord kam.

Im Ionischen Meer

Nach der Schiffseinweisung für unsere beiden Gäste legten wir ab und starteten erst unter Motor, später unter Segeln, dann wieder unter Motor nach Zakinthos. Schon in der Hafeneinfahrt wummerten uns laute Bässe entgegen und als beim Anlegen mehrere Einhörner, Super Marios und ähnliches Viehzeug über die Pier spazierte, war uns schnell klar, dass heute Karneval war. Auf dem Stadtplatz hatten sich bei bestem Wetter jede Menge Jecken versammelt, ein Kinderbalett gab sein bestes und die Straßen waren von Konfetti und Luftschlangen übersäht. Und das mitten in Griechenland!

Abends stieß Philip zu uns und so starteten wir am nächsten Morgen zu fünft nordwärts. Mit einer wilden Mischung aus Flaute und stärkerem Wind statteten wir erst den “blue caves” an der Nordspitze Zakinthos’ einen Besuch ab und segelten dann weiter über Ithaka nach Atokos, wo wir in der unter beeindruckenden Felswänden gelegenen “One House Bay” ankerten. In der gesamten Woche hatten wir zwar viel Flaute, aber unglaubliches Glück mit dem Wetter: Sonne und über 20°C boten uns einen Vorgeschmack auf den mediterranen Frühling. Wir wanderten auf Kalamos und kletterten im Sportklettergebiet von Mytikas, bevor wir auf der Fahrt nach Lefkas eine unserer spektakulärsten Delfinsichtungen aller Zeiten hatten. Die Meeressäuger sprangen aus dem Wasser und schwammen aktiv um unseren Bug herum. Teilweise drehten sie sich auf die Seite und blickten genauso neugierig zu uns hinauf wie wir zu ihnen hinunter.

 

Auf Lefkas verließ uns unsere Crew leider wieder und wir arbeiteten mal wieder viel am Boot: Fredi kümmerte sich unter anderem um neue Wandverkleidungen in der Kombüse und wir bauten einen neuen Autopiloten ein, der dann, fast überraschenderweise, auch tatsächlich funktionierte! An dieser Stelle vielen herzlichen Dank an meine Mutti für den Zuschuss!


Über Preveza und Paxos segelten wir nordwärts nach Sivota und waren damit nur noch wenige Seemeilen entfernt von unserem damaligen Startpunkt Plataria. Hier wetterten wir ein paar Gewitter ab und setzten unsere Fahrt nach Korfu fort. Der Liegeplatz direkt unterhalb der alten Festung hatte einen ganz besonderen Charme, auch wenn er kaum Schutz vor Wind und Welle bot und die Nacht entsprechend unruhig war. Früh am Morgen kam Balthasar an Bord und begleitete uns für vier Tage, an denen wir es bis Italien schaffen wollten. Zuerst ging es durch die Meerenge zwischen Korfu und Albanien nach Erikoussa. Die kleine Insel bot eine tolle Mischung aus Sandstränden, Steilküste und dicht bewaldeten Hügeln mit blühender Vegetation im Inselinneren und ließ sich in etwas über einer Stunde wandernd umrunden. Wir waren die einzigen Fremden auf dem gesamten Inselchen und hatten das Gefühl, wirklich auf dem letzten Außenposten der griechischen Zivilisation angekommen zu sein. Nach einem kleinen Hüpfer zur Nachbarinsel Othonoi legten wir dort eine abendliche Verschnaufpause ein, bevor wir uns auf die längere Überfahrt nach Italien machten. Hier hatten die Wellen eines Südsturms eine Bavaria auf die Mole geschmettert, die unserem Schiff erschreckend ähnlich sah. Große Teile waren bereits zerstört, aber wir konnten einen Ersatz-Schranktürbefestigungspinökel erbeuten, der fortan auf unserem Schiff weiterleben durfte. Nach Einbruch der Dunkelheit legten wir ab und starteten mit aufgehendem Vollmond in Richtung Italien. Der Wind ließ uns schnell segeln, aber an Schlaf war nicht zu denken. In den frühen Morgenstunden passierten wir das Kap von Leuca und setzten die Fahrt durch den Golf von Tarrent fort. Der Wind flaute zusehends ab und den Rest der Fahrt mussten wir die Maschine zu Hilfe nehmen. Spät nachmittags liefen wir in Ciro Marina ein, einem armen Städtchen weitab vom Tourismus. Schön war es dort mit Verlaub nicht, aber der behelfsmäßige Liegeplatz am Kransteg im Fischereihafen war gratis und wir freuten uns über die erste echte italienische Pizza, bevor wir müde in die Kojen fielen. Am nächsten Tag kreuzten wir uns nach Crotone auf, dem Hauptstädtchen der gleichnamigen Provinz und der angeblich mafiösesten Stadt Italiens. Hier wurden wir herzlich empfangen und der charmante Hafenmitarbeiter schenkte uns zur Begrüßung nicht nur eine Flasche Wein, sondern brachte uns am nächsten Morgen sogar gefüllte Criossants vorbei. Abends stieg der Mafiaboss persönlich (zumindest sah er so aus) langsam aus seinem Wagen aus und schüttelte uns zur Begrüßung mit extravaganter Kleidung, gegeltem Haar und dunkler Sonnenbrille die Hand. Als er erfuhr, woher wir stammten, hisste er vor dem Bürogebäude eine große Deutschlandflagge. Wir bedankten uns höflich, aber fragten uns gleichzeitig, wie viele Leute mit Betonklotz an den Füßen sich wohl unter unserem Kiel im Hafenbecken befanden. Auch Crotone war arm und eher wenig sehenswert, aber wir freuten uns sehr über den ersten italienischen Supermarkt, dessen Auswahl und Qualität die griechischen Läden des letzten halben Jahres weit übertraf. Eis essen, Diesel tanken und Wäsche waschen gehörten ebenfalls zum Pflichtprogramm, bevor wir unsere Fahrt in Richtung Sizilien fortsetzten.

Winter in Griechenland

Ende Januar kehrten wir nach Leros zurück und bewunderten unser überholtes und jetzt tipp-topp aussehendes Unterwasserschiff. Völlig überraschend für die Werft wurde der Kran genau zu unserem geplanten Kran-Termin gewartet und so erhielten wir unfreiwillig ein paar zusätzliche Tage an Land. Die nutzten wir, um eines unserer größten Probleme an Bord in den Griff zu kriegen, nämlich das laute Knarzen der Wand zu unserer Achterkajüte bei jeder kleinsten Bewegung des Schiffs. Klingt erst einmal wenig dramatisch, aber das repetitive staccatoartige nahezu Knallen des Holzes hatte uns schon viele Nächte den Schlaf gekostet und war, für viele wahrscheinlich unvorstellbar, einer der Hauptgründe, unsere Reise eventuell vorzeitig abzubrechen und das Boot zu verkaufen. Da es jedoch gleichzeitig ein unglaublich blöder Grund war, beschlossen wir, alle Stellen, an denen Holz auf Holz rieb, großzügig aufzusägen und mit nicht-knarzfähigen Materialen aufzufüllen. Notfalls, so hatten wir uns geeinigt, würden wir die gesamte Wand zersägen und damit eine großzügige Wohn-Schlafzimmer-Kombination erschaffen, wenn uns das Boot dann nur schlafen ließe. Und so begannen wir die von Fredi so genannte “Entknarzifizierung” und ich sägte, was das Zeug hielt. Nur kurze Zeit später klaffte ein Spalt zwischen Boden und Wand und, siehe da, das Knarzen war weg! Nicht komplett zwar, aber das laut knallende immerhin. Da hatten wir ein halbes Jahr lang schlecht geschlafen, viele schöne Buchten wegen unruhigen Wassers vermieden, uns zu zweit in die Bugkajüte gezwängt oder in mühevoller Arbeit mit dem Beiboot den Zweitanker ausgebracht und morgens wieder eingeholt, damit das Schiff mit der Längsachse zu den Wellen lag, um jetzt festzustellen, dass eine halbe Stunde sägen das Problem gelöst hätte. Nun ja. Wir füllten den Spalt mit Butyl aus und freuten uns auf ganz neue Möglichkeiten.


Nach der Wasserung segelten wir entlang der Insel zur Marina Lakki, wo wir gut geschützt festmachten, um den für die kommenden Tage angesagten Sturm abzuwettern. Zufällig lagen Adrian und Denise zwei Plätze neben uns, die beiden hatten wir im Vorjahr auf Kos kennengelernt und freuten uns sehr über das Wiedersehen mit Leuten in unserem Alter. Denn soziale Kontakte hatten wir, von unseren Mitsegelnden abgesehen, auf dem Törn wenig, sind die meisten anderen Yachteigner doch oft im Rentenalter und darüber. Wir nutzten die Zeit in Lakki für Arbeiten am Boot und ein paar Spaziergänge, aber draußen war es mit Sturm und nur 6-10°C bitterkalt, auch wenn die Sonne schien. Vom Berg aus beobachteten wir das Meer außerhalb der schützenden Bucht von Lakki, es war komplett weiß und die Luft darüber mit Gischt gesättigt. Kein Schiff war zu sehen, auch der Fährverkehr war für die Tage eingestellt worden. Drei Tage später nahm der Wind auf 5-6 Beaufort ab und wir beschlossen, in See zu stechen. Unsere erste Etappe führte uns nach Levitha, im Winter schien die ohnehin nur von einer Familie bewohnte Insel komplett verlassen zu sein und so teilten wir uns die Insel beim nachmittäglichen Spaziergang nur mit ein paar Ziegen. Für die nächsten zwei Tage drehte der Wind auf Nordost und wehte konstant mit 5-6 Beaufort weiter, für uns die perfekte Windrichtung! Das nutzten wir und segelten zügig mit Skiunterwäsche, zwei Pullis, Jacke, Ölzeug, Stiefeln, Thermoskanne, Handwärmern, Wärmflasche, Mütze, Kapuze und Handschuhen jeweils 11-12h westwärts. Am ersten Tag ging es vorbei an Kinaros und Amorgos nach Ios, wo wir schon im Dunklen im leeren Stadthafen festmachten und dem Duft des direkt hinter uns liegenden Fast Food-Restaurants widerstanden, um aus Vernunft Nudeln mit verwelktem Brokkoli zu essen. Ein zweifelhaftes Vergnügen. Immerhin gab es Landstrom und wir konnten den Salon mittels Heizlüfter auf Wohlfühltemperatur bringen. Am nächsten frühen Morgen ging es weiter an Sikinos vorbei zur Bucht Vathi auf Folegandros, wo wir für eine kurze Mittagessens- und Aufwärmpause den Anker warfen, um anschließend weiter an Polyaigos und Kimolos vorbei nach Milos zu segeln. Wo keine schützenden Inseln im Weg waren, erreichten die Wellen etwa 2m Höhe, aber kamen schön geordnet aus einer Richtung, sodass das Segeln recht angenehm und mit dem starken Wind auch wunderbar schnell war. Dazu schien durchgehend die Sonne und die Luft war kristallklar! An Milos’ Nordküste wartete der “Endgegner” auf uns, es wurde schon dunkel und der Wind frischte abermals auf, zusätzlich wurden die Wellen an der Steilküste reflektiert und generierten eine hohe und unangenehme Kreuzsee. Mit nur einem kleinen Genuazipfel biss Moana sich mit konstant über 7 Knoten Fahrt durch die unruhige See, bis wir endlich in die geschützte Bucht von Milos einliefen. Im Hafen wehte immer noch ein starker Wind und drückte uns die ganze Nacht über an den Steg, wodurch wir leider einen altersschwachen Fender verloren.

Am nächsten Tag gönnten wir uns eine Pause, denn der Wind sollte konstant mit über 30kn (knapp 60km/h) wehen und als nächstes stand die offene Passage zur Peloponnes an. Vor zwölf bis vierzehn Stunden Fahrt mit hoher Welle von der Seite und eiskaltem Nordwind schreckten wir zurück, zumal wir das berüchtigte Kap Maleas umrunden mussten, und verschoben die Überfahrt auf den Folgetag. So erkundeten wir die Insel ein bisschen, tankten, wuschen Wäsche und erholten uns. Mit abflauendem Wind beruhigte sich die See erstaunlich schnell und nach ein paar Segelstunden mussten wir für den Rest der Überfahrt leider die Maschine nutzen. Spät abends erreichten wir die Ankerbucht von Elafonisos. Den wohl traumhaften Karibikstrand wollten wir am nächsten Morgen erkunden, doch bereits in der Nacht erreichte der Wind wieder weit über der Vorhersage liegende Stärken, sodass an Schlafen nicht mehr zu denken war. Immerhin, die Richtung stimmte und so starteten wir quasi vor dem Aufstehen in die nächste Segeletappe zum mittleren Peloponneskap und, da es so gut lief, gleich weiter zum dritten. Wieder einmal erst in der Dunkelheit ankerten wir in der geschützten Bucht vor Methoni, hier war es wunderbar ruhig. Wir schliefen aus und waren stolz, die gesamte Überfahrt vom Dodekanes bis zum Beginn des Ionischen Meeres in nur fünf Segeltagen geschafft zu haben. Am nächsten Tag begrüßten uns Sonne und Flaute und wir spazierten am Strand und aßen Eis. Der Ort war sehr schön und zum ersten Mal seit unserem Start hatten wir das Gefühl, nicht mehr im Skiurlaub, sondern wieder im Mittelmeerraum zu sein. Den nachmittags aufkommenden leichten Wind nutzten wir für einen kurzen, gemütlichen Segelschlag in die Navarinou-Bucht bei Pylos, die uns mit ihrem endlosen Sandstrand und den umgebenden Bergen schon auf dem Hinweg super gefallen hatte und ankerten vor dem Dorf Gialova. Nach einem Pausentag mit SUP-Tour und behelfsmäßiger Reparatur der defekten Ankerwinschfernbedienung tuckerten wir durch die Flaute nordwärts nach Katakolon, wo wir tankten und das antike Olympia besuchten. Es war wunderschön, nach der langen Zeit auf dem Meer mal wieder durch Wälder, über bunt blühende Wiesen und entlang eines rauschenden Bachs zu laufen. Vögel sangen, die Wintersonne wärmte und all das machte den Besuch der antiken Sportstätten zu etwas ganz besonderem für uns.

Vulkane und Reparaturen

Und wieder durften wir eine Woche in Gesellschaft reisen! Fredis Eltern, ihre Schwester Bici und meine Mutter kamen auf Kos an Bord, um als Dankeschön für die viele Hilfe jetzt auch einfach mal Segeln zu dürfen. Wir starteten nach Süden und rasten mit tollem Segelwind zügig zur Vulkaninsel Nisyros. Die Insel war auch für uns Premiere und wir erkundeten sie mit einem für wenig Geld gemieteten Kleinbus. Das Highlight waren mehrere aktive Krater in einer schwefligen Tiefebene, der größte von ihnen war sogar begehbar. Durch klebrigen vulkanischen Schlamm konnte man bis zu einer Absperrung laufen und viel weiter wollte man auch gar nicht, denn dahinter blubberte der Schlamm dampfend wie ein großer Hexenkessel. Der Gestank war bestialisch, aber eben mal etwas anderes und eine willkommene Abwechslung zur langweilig sauberen Seeluft.

 

 

 

 

 

 

Auf Spaziergängen durch die beiden am Kraterrand gelegenen Dörfer Emporios und Nikia begegneten wir unter anderem einer natürlichen Sauna, in der man sich im heißen Dampf aufwärmen konnte. Die Landschaft wich deutlich von der der übrigen Dodekanesinseln ab und erinnerte stark an die Kanaren mit vulkanischem Gestein und schwarzen Stränden. Das Hauptstädtchen Mandraki war für seine Größe sehr belebt und wartete mit einem abwechslungsreichen Labyrinth aus kleinen Gassen auf. Ein weiteres Highlight war die mutmaßlich süßeste Hafenkatze der Welt, die sich immer wieder zum Kuscheln an uns Crewmitglieder anschmiegte, mehrmals unser Schiff enterte und sich nur unter Protest wieder entfernen ließ.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Teils unter Segel, aber bei Flaute leider größtenteils unter Motor legten wir die Strecke nach Symi zurück, wo unser erstes Ziel die krankhaft klingende, aber fast abgeschlossene und dadurch hervorragend geschützte Klosterbucht “Panormitis” war. Hier hatten wir fast das Gefühl, in einem Binnensee zu ankern und nutzten den regnerischen halben Tag für einen Reparaturversuch des Backofens. Auch ein Spaziergang zum Kloster und zur Geschützstellung an der Buchteinfahrt (würde der Türke bald angreifen?) durften nicht fehlen. Auf dem Rückweg stiegen wir alls wieder ins Beiboot, doch beim Einsteigen der sechsten Person schabte das Boot an einem spitzen Stein entlang und mit lautem Zischen entwich die Luft. “Alle wieder raus!”, riefen Fredi und ich, und so geschah es. Wie eine traurige vertrocknete Pflaume lag das an Land gezogene Boot nun da. Immerhin verfügte das Kloster über eine kleine Pier, deren Wassertiefe auch für unser Mutterschiff ausreichend war, und so schwammen Fredi und ich in Unterwäsche zurück aufs Schiff und legten bereits im Halbdunklen dort an.

Am nächsten Tag fuhren wir östlich um Symi herum weiter in den gleichnamigen Hauptort der Insel, der mit bunten Häusern außergewöhnlich schön war. Und von dort ging es mit einem Übernachtungsstopp auf Nisyros (ja, wir wollten die Katze wiedersehen) zurück nach Kos, wo unsere Familien wieder von Bord gingen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier saßen wir ein paar Tage schlechten Wetters im Hafen aus und organisierten uns eine Werft, die Moana für ein paar Wochen an Land heben, dort das Ruderblatt reparieren und bei der Gelegenheit gleich die zig Schichten abblätternden alten Antifoulings sandstrahlen und erneuern würde. Wir wurden auf Leros fündig und so segelten wir nach Wetterbesserung erst für ein paar Tage zum Klettern nach Kalymnos und anschließend weiter nach Leros. Hier wurde Moana an Land gekrant und stand nun direkt neben dem Flughafen. Aus dem Cockpit konnten wir den Fluggästen der wenigen von dort startenden Propellermaschinen beim Einsteigen zusehen, während das Unterwasserschiff in eine große Hülle eingepackt wurde und die Arbeiten begannen. Noch mehr Arbeiten kosteten natürlich auch noch mehr Geld und das musste irgendwoher kommen. Da die Adventszeit ja auch in Deutschland schön ist, beschlossen wir, den Törn zu unterbrechen und für ein paar Wochen nach Deutschland zu reisen, wo ich ein bisschen Geld verdienen würde. Aber erstmal ging es noch mal für ein paar Tage zum Kletterurlaub nach Kalymnos. 🙂

Wir wünschen euch allen eine schöne Weihnachtszeit und einen guten Start ins neue Jahr!

Segeln und Klettern um Kalymnos

In einem “fliegenden Wechsel” auf Kos kam Fredi wieder zurück an Bord und auch Inken und Nikola stiegen zu, um mit uns eine Woche Segeln und Klettern um Kalymnos zu genießen. Am ersten Tag kreuzten wir uns gegen fast perfekten Segelwind (abgesehen von der Richtung…) nach Palionisos auf, eine wunderschöne fjordartige Bucht im Nordosten Kalymnos’ mit schönen Kletterwänden hoch über der Bucht. Auch Nikolas war da, ein älterer griechischer Tavernenbesitzer, der mit seinem Ruderkahn regelmäßig die dort im Bojenfeld liegenden Segelyachten abklappert und die Crews anquatscht. Sieben Sprachen beherrscht er nach eigener Angabe, und zumindest sein Deutsch ist ganz passabel. Im Gegenzug bleibt anscheinend wenig Speicherplatz für das visuelle Gedächtnis übrig und so werden alle jeden Tag aufs Neue nach ihren Namen gefragt und man hört sich die gleichen Geschichten mehrmals an. Ob man gerade erst vor einer Woche dort lag oder mehrere Tage am Stück vor Palionisos liegt, spielt dabei kaum eine Rolle. Zwar ist Nikolas sehr charmant und bringt den Damen an Bord gelegentlich sogar Schnittblumen aus seinem Garten mit, auf Dauer ist es aber ganz schön anstrengend. Als Kalymnos-“Wiederholungstäter” weiß ich inzwischen ziemlich viel über Nikolas, unter anderem, dass er selbst früher mehrere Kletterrouten erschlossen hat, früher bis zum Schwierigkeitsgrad 6c kletterte, dass er später aber Rückenprobleme bekam, sich operieren ließ, aber trotzdem noch Rückenprobleme hat. Und vieles mehr, beispielsweise in welchen deutschen Städten er schon war und wo seine Kinder wohnen. In seiner Taverne erlebt man noch das ursprüngliche Griechenland: Ein paar wenige Tische unter einem begrünten Vordach in einem bunt blühenden Garten, unzählige Katzen streichen um die Tische und frische Kräuter wachsen fast mannshoch direkt hinter den Tischen. Eine Speisekarte gibt es nicht, stattdessen berichtet Nikolas, welche zwei bis drei Gerichte am aktuellen Tag frisch im Kochtopf vor sich hin köcheln und welche kleinen Gerichte darüber hinaus spontan zubereitbar wären. Über letzteren Punkt gibt es dann jeweils hitzige Diskussionen mit seiner in der Küche stehenden Frau, die die Möglichkeiten offenbar etwas anders beurteilt (der Inhalt des Streitgesprächs erschließt sich auch ohne Griechischkenntnisse recht gut aus dem Kontext). Während der Wartezeit verteilt er seine alten Familien-Fotoalben, wobei es die Entstehungsgeschichten zu den Fotos gratis dazu gibt.

Diesmal entschieden wir uns jedoch gegen eine Einkehr bei Nikolas und kochten selbst an Bord. Im weiteren Verlauf der Woche umrundeten wir die Insel gegen den Uhrzeigersinn und besuchten die Klettergebiete The Beach, Dolphin Bay, Arginonta Valley und Vlychada. Außerdem arbeiteten wir mit der Hilfe der beiden und mit fernmündlicher Beratung durch Julius (danke!) ein bisschen am Boot, “reparierten” den Solarladeregler (am Ende war es nur ein loser Kontakt) und Fredi installierte die neuen Hupen.

Die Woche mit den beiden war sehr schön und wir waren traurig, als sie am Ende der Woche in Pothia von Bord gingen und in die Fähre nach Kos stiegen. Für Fredi und mich war erstmal wieder Arbeiten angesagt, wofür wir drei Tage im dortigen Hafen blieben. So gut der Hafen an sich auch geschützt war, so ärgerlich war es, dass die Schnellfähren mit hohen Geschwindigkeiten ein- und ausliefen und dabei ordentliche Wellen generierten. Und so wurde uns das Pech zuteil, bei einem dieser Ereignisse so durchgeschaukelt zu werden, dass wir im Wellental mit dem Ruderblatt mit einem spürbaren Stoß auf einen (ausgerechnet nur unter unserem Schiff befindlichen) Betonklotz aufsetzten. Beim Schnorcheln stellte sich heraus, dass das Ruderblatt zwar keinen ernstzunehmenden Schaden erlitten hatte, dennoch waren die obersten waren abgeplatzt und so würde das Boot trotzdem in näherer Zukunft zur Reparatur aus dem Wasser müssen. Denn sonst liefen wir Gefahr, dass auf Dauer Wasser ins Ruderblatt eindringen und es zum Aufplatzen bringen könnte. Und dann bräuchten wir schon wieder ein neues und mehrere neue Ruderblätter pro Jahr erschienen uns dann doch zu dekadent. Nach einer weiteren Kalymnos-Umrundung zu zweit inklusive Klettern und einem kurzen Stopp in der Marina Leros zum Wäsche waschen, Ersatzteile kaufen und der bis jetzt nesten Pizza Griechenlands ging es zurück nach Kos. Hier kehrte ich dem Boot vorübergehend den Rücken zu und reiste für eine knappe Woche zum 10-jährigen Examenstreffen (ich werde alt…) und für ein paar Notarztdienste nach Deutschland, während Fredi fleißig am Boot arbeitete und neben vielen anderen Dingen auch ein Dieselleck behob und sogar den Autopiloten und zusammen mit Andreas den Dieselherd zum Laufen brachte.

jedes Schild hat seine Geschichte…

Mit Kindern durch den Dodekanes

Der Meltemi schlug wieder mit voller Härte zu. Gegen richtig miese Bedingungen, viel Wind und Welle genau von vorn und mal wieder viel zu unruhige Nächte kämpften wir uns nach Samos hinauf. Auf Agathonisi saßen wir zwei Tage fest, nachdem wir beim Versuch der Weiterfahrt kapitulieren mussten. Gegen Starkwind und die hohe steile See schlug unser Bug jeweils so hart auf die Wellen, dass das Boot bis zum Stillstand abgebremst wurde. Nachdem wir in knapp zwei Stunden nicht einmal drei Seemeilen an Höhe gewonnen hatten, wendeten wir das Boot entkräftet und schossen in kurzer Zeit in den schützenden Hafen zurück. Nachdem wir es nach Besserung der Bedingungen endlich bis Samos geschafft hatten, war ich regelrecht neidisch, als Fredi ins Flugzeug steigen und für eine Woche “Landurlaub” zu ihrer Familie fliegen durfte. Warum wir überhaupt nach Samos gesegelt waren? Weil hier Philip und Ellen mit ihren drei Kindern zusteigen und eine Woche mit mir segeln würden, worauf ich mich auch schon sehr freute. Auch wenn ich zu dem Zeitpunkt auch erst einmal ein paar Tage Urlaub vom Urlaub hätte gebrauchen können.

 

Immerhin hatte der Wind nicht gedreht und so schob uns der Meltemi mit schneller Fahrt südwärts. Nach wenigen Stunden erreichten wir unseren ersten Zwischenstopp, den mir bereits wohlbekanntem Hafen von Agathonisi. Hier blieben wir den kompletten nächsten Tag, denn der Meltemi frischte auf 7-8 Bft auf. Keine Bedingungen, denen sich der durchschnittliche Fahrtensegler gern aussetzt, geschweige denn mit drei Kindern an Bord. Aber Agathonisi war immerhin ein süßes Inselchen mit einer Badebucht gleich neben dem Hafenort, Katzen und Hunden überall und die Kinder schafften es, die große im Prinzip ungenutzte Betonfläche des Hafens als großen Spielplatz zu nutzen. Es wurde gerannt und geklettert, was das Zeug hält.

 

 

 

 

 

Nachdem der Wind am kommenden Morgen etwas abgeflaut hatte, verließen wir den schützenden Hafen und setzten Kurs auf Arki. Wind und Welle waren immer noch ordentlich und so kamen wir zügig voran. Jakob hatte ein hervorragendes intuitives Verständnis für die Physik des Segelns und erlernte schnell das Steuern. Nachdem er nach einiger Zeit das Boot wie ein Autopilot auf konstantem Kurs zu halten schaffte, übte er sich darin, den Bug genau so in die Wellen zu steuern, dass möglichst viel Wasser über Deck spritzte und die Crew durchnässte. Auch Jona und Henri übten sich gelegentlich als Steuermann, hatten aber den entscheidenden biologischen Nachteil, auf Grund ihrer Größe nicht über die Bootsaufbauten hinweg nach vorn schauen zu können. Auch die Kraft reichte manchmal noch nicht aus, schließlich konnten die beiden mit maximal gestreckten Armen geradeso das Rad umfassen. Bei ruhigen Bedingungen machten sie das aber auch schon sehr gut und wenn sie immer brav ihren Spinat essen und das nächste Mal dabei sind, werden sie bestimmt auch steuern wie die Weltmeister.

Arki erlebten wir als traumhaftes verschlafenes Nest. Die Pier bot Raum für ein paar wenige Segelyachten und war gleichzeitig der Mittelpunkt des Dorfs. Von blühenden Bäumen und Blumen gesäumt lagen ein Café und eine Taverne direkt den Booten, dahinter folgten nur ein paar wenige Häuser und kurioserweise ein altes Wiener Feuerwehrauto (wie und warum auch immer es auf das winzige Eiland gekommen war), noch weiter den Hügel hinauf gab es nur noch Ziegen und oben auf dem Hügel eine Kapelle, zu der wir spazierten und von der aus wir eine tolle Aussicht hatten, zurück nach Samos und Agathonisi, hinüber in die Türkei und auf der anderen Seite zu unseren nächsten Zielen Patmos und Lipsi. Am Horizont ließen sich sogar Fournoi, Leros und Kalymnos ausmachen.


Mit der netten jüngeren Crew der neben uns liegenden Yacht kamen wir schnell ins Gespräch und lustigerweise war unter anderem ein Berliner Feuerwehrmann an Bord, der natürlich sofort ein Fotos unseres Berliner Feuerwehr-Rettungsrings machte. Den Rest des Tages nutzten wir zum Baden, SUPen und für einen Besuch des kleinen Cafés. Bei Wärme und strahlendem Sonnenschein kam es uns schon seltsam vor, dass es kein Eis mehr gab, da die Saison jetzt vorbei sei.

Weiter ging es nach Patmos! Die nette Hafenmeisterin empfing uns mit dem Fahrrad und fragte, wie lange wir bleiben würden. Etwa zwei Stunden, sagten wir (das ist dann meist gratis). Eigentlich müsse man bereits ab einer Stunde bezahlen, sagte sie, aber da ihre Pause jetzt schon begonnen hätte und sie erst um vier zurückkommen würde, gäbe es leider niemanden, der Geld einsammeln könnte und so wäre es dann wohl doch gratis. Wir freuten uns und wanderten hinauf in die Chora, nach der Halbinsel Athos das zweitwichtigste religiöse Zentrum Griechenlands. Wir waren zwar eher für die Aussicht und die niedlichen Gässchen des Ortes dort, wurden aber zwangsläufig auch mit Religion konfrontiert, denn zahlreiche Stände verkauften Heiligenbilder, gefälschte Mariengebeine und alles mögliche andere religiöse Zubehör. Und spätestens bei folgenden Figuren wurde klar, dass die Griechisch-Orthodoxe Kirche unserer Katholischen Kirche in nichts nachsteht:

Unser nachmittäglicher Segelschlag führte uns zu einer großen Ankerbucht auf der Südseite der Nachbarinsel Lipsi, denn zum ersten Mal in dieser Woche waren die Bedingungen ruhig genug, um frei ankern zu können und trotzdem eine Chance auf Schlaf zu haben. In der Abenddämmerung drehten die Kinder noch ein paar Runden mit dem Beiboot und als es dunkel war, gab es neben einem famosen Sternenhimmel sogar Leuchtalgen zu sehen. Am nächsten Morgen fuhren wir nur eine Seemeile weiter zu einer unbewohnten vorgelagerten Felsinsel und Henri und Jona hatten einen tierischen Spaß dabei, sich für die Strecke im Beiboot hinterherziehen zu lassen. Die Insel bot mehrere Besonderheiten: Erstens war sie unbewohnt und Jakob hatte schon die ganze Woche den Wunsch geäußert, eine unbewohnte Insel zu erforschen. Zweitens befand sich auf der Insel ein runder Meerwasserpool, der durch einen unterirdischen Tunnel mit dem Meer verbunden war, durch den man von der Seeseite aus hindurchtauchen konnte. Und drittens hatte die steile Felsküste ein Labyrinth aus Höhlen und natürlichen Felstunneln geschaffen, die man mit dem Beiboot oder schnorchelnd entdecken konnte. Beim Schnorcheln konnte man neben spektakulären Unterwasser-Felslandschaften auch eine Vielzahl großer bunter Fische entdecken. Insgesamt also ein richtig spannender Ort und in der Nebensaison hatten wir ihn ganz für uns allein.

 

 

 

 

 

 

Den Rest des Tages nutzten wir, um östlich an Leros vorbeizusegeln und letztendlich die Bucht Emporios auf Kalymnos zu erreichen, wo wir zur Feier des Tages in der Taverne von Captain Kostas zu Abend aßen.

Am nächsten Tag mussten die Jungs mal wieder durchbewegt werden, schließlich waren wir zuvor fast einen ganzen Tag nur auf See. Und so wanderten wir zum Klettersektor oberhalb Emporions, wo wir nicht nur von einer tollen Aussicht, sondern auch spannender Kraxelei belohnt wurden. Philip brauchte noch mehr Bewegung und rannte nach Masouri, während Ellen, die Kinder und ich mit dem Boot dorthin fuhren und ihn am Fährsteg wieder einsammelten. Weiter ging es nach Nera, einer kleinen Insel südlich von Kalymnos, wo wir uns in der einzigen kleinen Bucht mit Buganker und mehreren Leinen zwischen den Ufern verspannten. Die Fallböen waren sehr stark und erfassten Moana von verschiedenen Seiten, sodass zumindest für mich nur wenig Schlaf blieb. Dennoch war der Ort wunderschön.

Der letzte Tag der Woche war gekommen und nachdem wir dem Windschatten der Insel entkommen waren, setzten wir die Segel und Jakob steuerte uns routiniert zum Hafen von Mastichari. Hier würden die fünf das Boot verlassen und ich es für die nächste Crew, die schon am Folgetag kommen würde, vorbereiten. Denn die Marina von Kos hatte keinen einzigen freien Platz, sagte man mir am Telefon, und Mastichari lag zwar etwas ungünstiger, bot aber auch guten Schutz. So weit die Theorie. Denn nachdem das Segel geborgen und alles für das Hafenmanöver vorbereitet war, die Fender hingen, die Festmacherleinen angeschlagen, der Anker klar zum Fallen war und wir die Hafenmole passiert hatten, rief ein Mitarbeiter der dort liegenden Fähre uns unfreundlich zu, dass der Hafen nicht für uns geeignet wäre, “the water is deep”. Wir sollten lieber zur gegenüberliegenden Insel Pserimos fahren. Gewiss meinte er “zu flach”, denn das sandige Becken hatte hinter dem Fähranleger aus meiner Erfahrung vor ein paar Jahren tatsächlich nur um die 2m Tiefe. Das war natürlich keine Option, denn die Crew musste ja zum Flughafen Kos und die nächste Crew würde am Flughafen Kos ankommen. Und da ich schließlich schon einmal mit einem deutlich größeren und tieferen Charterboot im Hafen von Mastichari gewesen war und auch das funktioniert hatte, rief ich ihm zu, dass das passt und er sich um seinen eigenen Kram kümmern solle. Wenn in der Wortwahl auch nicht ganz so stark. Peinlicherweise machte es keine zehn Meter weiter “SSSSssssst” und wir steckten im Sand fest. Fluchend versuchte ich, das Schiff gegen den auflandigen Wind wieder frei zu bekommen. Nach ein paar Versuchen gelang es und wir verließen den Hafen unter etwa 50 Augenpaaren aller Fährpassagiere wieder. Der Stadthafen von Kos war nun noch die einzige Option und so setzten wir erneut Segel und die Fünf bekamen die 17 Seemeilen nach Kos Stadt gratis dazu. Der Hafen war zwar relativ gut gefüllt, aber eine kleine Lücke gab es für uns glücklicherweise und so zwängten wir uns hinein. Eine schöne Segelwoche ging zu Ende.

Von der Peloponnes in den Dodekanes

In Nafplion kamen mein Vater und seine Freunde Christian und Jan an Bord. Mein Vater fuhr das erste Ablegemanöver und wir setzten Segel. Mit moderatem Wind, aber gegen eine kurze, spitze Welle kreuzten wir uns den Argolischen Golf hinauf bis zur Bucht Drepanon, wo der Anker für die Nacht fiel. Die neue Genua war riesengroß, sehr schön und lieferte eine sehr gute Performance, wir waren erst einmal sehr zufrieden. Am nächsten Vormittag blieb der Nordwind aus und so fuhren wir nur eine kürzere Strecke unter Motor in die Ankerbucht auf der Nordseite der Insel Spetses. Hier schwammen wir und erkundeten auf einem kleinen Spaziergang die umliegenden Strände, bevor es nach einem kurzen Segelschlag in die moderne Marina Porto Heli zum Übernachten ging. Im kleine “marine store” besorgte Fredi einen neuen Kugelfender und Ruckdämpfer für unsere Festmacherleinen. Am Folgetag frischte der Wind zunehmend auf und während wir mit bahnbrechenden Geschwindigkeiten zwischen Hydra und Peloponnes ostwärts segelten, mussten wir unser Vollzeug immer weiter reffen, bis wir letztendlich nur noch mit kleiner Segelfläche unterwegs waren. Der Anker fiel am östlichsten Zipfel der Peloponnes in einer fast unbewohnten Bucht. Die Nacht war sternenklar und am Horizont sah man bereits das helle Leuchten der Metropole Athen. Leider arbeitete sich die Dünung um mehrere Ecken herum in die Bucht und wir schliefen nur wenige Stunden. Außerdem hatten wir uns inzwischen fast alle an Jans “Heuschnupfen”, der in Wirklichkeit wohl eher eine schwere Erkältung oder COVID-19 gewesen sein dürfte, angesteckt.

 

Beste Voraussetzungen für die lange Überfahrt nach Serifos! Früh morgens starteten wir und motorten durch die unangenehme Welle in Richtung Kykladen. Bereits nach wenigen Stunden war mein durch den Heuschnupfen vorgeschädigter Vater der Seekrankheit zum Opfer gefallen (Details erspare ich euch allen), Fredi und ich prämedizierten uns mit Vomex, Jan konnte der beginnenden Übelkeit durch ausdauerndes Rudergehen ein Schnippchen schlagen und Christian schien einfach immun gegen alles zu sein. Mit zunehmendem Wind konnten wir am Vormittag endlich die Segel setzen und Moana glitt deutlich ruhiger durch die sich weiter aufbauende See. Wir waren schnell unterwegs und so machte das Segeln richtig Spaß. Wind und Welle wurden immer stärker und die höchsten Wellenberge kurz vor Serifos knackten die 2m-Marke. Alles, was nicht niet- und nagelfest war flog durch die Gegend und der Salon sah gegen Ende der Überfahrt aus als hätte eine Bombe eingeschlagen. Dafür waren wir schnell, sehr schnell, und bereits am späten Nachmittag legten wir im Hafen von Livadi an. 8,5h statt der berechneten 11h, damit konnten wir durchaus zufrieden sein! Serifos ist eine meiner Lieblingskykladen: Die tief eingeschnittene Bucht bietet perfekten Schutz und das Wasser ist selbst im Hafen so klar, dass man den Eindruck hat, in ein Aquarium zu blicken und mit dem Schiff regelrecht 7m über dem steinigen Grund zu schweben. Hoch über dem Hafen thront der alte Hauptort der Insel, die Chora, auf einem Berggipfel und aus der Entfernung wirken die weißen Häuser und Gassen wie Zuckerguss auf einem Kuchen. Direkt neben dem Hafen säumt ein langer Strand die Bucht und die Tische und Stühle der Tavernen stehen auf dem Sand direkt am Ufer. Griechische Volksmusik kommt aus den Lautsprechern, alte Herren spielen Karten und trinken Ouzo und Katzen schleichen um die Tische herum, stets auf der Suche nach Gästen, die ihren Fischteller nicht aufessen. Griechenland aus dem Bilderbuch.
Am nächsten Tag blieben wir im Hafen, denn der “Heuschnupfen” hatte mich stark erwischt und ich hing den ganzen Tag nur schlapp herum. Nach einer weiteren Nacht ging es allen besser und Fredi hatte Geburtstag! Traurigerweise gab es dank kaputten Backofens nur einen eingeschweißten Kuchen aus dem Inselladen, aber das würden wir noch nachholen. Der Wind hatte sich inzwischen komplett gelegt und die Welle hatte sich dankbarerweise auch stark reduziert. Unter Motor fuhren wir ein kurzes Stück zur Nachbarinsel Sifnos, wo wir in der malerischen fjordartigen Bucht ganz im Norden der Insel ankerten. Wir schwammen, fuhren SUP, wanderten zur Kapelle oberhalb des Dorfes, besuchten die alte Töpferwerkstatt und aßen in der Taverne am Ufer zu Abend. So wurde es für Fredi doch noch ein schöner Geburtstag.

 

 

 

 

 

 

Auch am nächsten Tag blieb der Wind aus und so mussten wir wieder einmal den Motor bemühen. Auf Ostkurs tuckerten wir nach Paros, wo Fredi ein hervorragendes Anlegemanöver hinlegte (ihr erstes mit Heck zur Pier und Muringleinen) und uns unsere Crew nach einem extrem leckeren Abendessen (vielen Dank an die Crew!) und einer letzten Nacht an Bord verließ.

 

Nach der kurzen Verschnaufpause ging am nächsten Tag der Meltemi wieder los und unter morgens voller Genua, später nur noch einem küchenhandtuchgroßem Stück Vorsegel durchsegelten wir die Passage zwischen Paros und Naxos südwärts. Die “Kleinen Kyladen”, eine Inselgruppe südlich von Naxos, sollte im Insellee von Naxos wohl etwas Schutz vor dem für die komplette kommende Woche angesagten Starkwind bieten und außerdem gab es auf der Insel Schinoussa wohl Kletterfelsen. Gute Gründe, ein paar Tage dort zu bleiben!

Wir ankerten in einer Bucht südlich der Chora und nach vielen Versuchen hatten wir es endlich geschafft, den Anker bombenfest einzugraben. Aber wenn das Windschutz sein sollte, wollten wir gar nicht erst wissen, wie es draußen aussah. Die Böen rissen am Schiff und die Welle arbeitete sich obendrein in die Bucht und obgleich es nur ein Bruchteil der Welle draußen war, war an Schlaf nicht zu denken. Noch etwas restkrank und erholungsbedürftig von der vorigen Woche mit viel Segelstrecke entschlossen wir uns, das Schiff zu verlassen und uns für wenig Geld ein kleines Apartment zu gönnen. Es war ein traumhafter Ort, die Anlage gesäumt von bunt blühenden Blumen, Bäumen und riesigen Rosmarinbüschen, das ganze gleich hinter dem Strand und inmitten des Nichts. Ringsherum waren nur ein paar spärlich bewachsene Weideflächen mit Ziegen und Kühen und über einen Schotterweg erreichte man in 15min bergauf die Chora auf dem Hügel. Von dort gab es einen weiteren Schotterweg in ein anderes kleines “Dorf”, falls man ein paar Häuser so nennen kann, eine befestigte Straße hinunter zum Hafen auf der anderen Seite und einen Schotterweg in die Bucht zwischen unserer Bucht und der Hafenbucht, wo ein Hotel und die Kletterfelsen lagen. Schinoussa lag wirklich noch abseits der ausgetretenen Touristenpfade und so trafen wir auf unseren Wegen immer wieder die gleichen Einheimischen und mit einigen grüßten wir uns nach ein paar Tagen wie mit alten Bekannten. Die Preise des Inselladens waren saftig (4€ für eine kleine 100g-Tüte Haribo und 8€ für ein Stück Talagani-Käse), sodass das Dinieren in der Taverne preislich ähnlich herauskam wie selbst zu kochen und so nutzten wir die Option gleich zwei mal. In einer der beiden gab es nicht einmal eine Speisekarte und der Kellner trug uns die sieben Optionen mündlich vor. Lecker war das Essen sehr und der Ausblick über die verschlafene Insel und das Meer in der Abenddämmerung famos. Als Kontrast sah man am Horizont die hell erleuchtete Touristenhochburg Santorini. Das Klettergebiet war, wer hätte es anders erwartet, wenig frequentiert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Klettern war ein schöner Kontrast zum langen Segeln und es tat gut, sich mal wieder richtig durchzubewegen. Wir waren die einzigen Kletterer auf der Insel und das Gebiet war so wenig begangen, dass wir uns auf dem Zustieg zu den Routen manchmal durch Gebüsche schlagen mussten und der Fels mancherorts leider unangenehm bröselig war. Aber ein paar sehr schöne Routen waren dabei und allein des Naturerlebnis im steilen Canyon mit Ausblick über das Meer war die Mühe wert.

 

Für Samstag war zum ersten Mal etwas weniger Wind und Welle angesagt und so nutzten wir den Tag, gemeinsam mit anderen Booten, für die lange Überfahrt in den Dodekanes mit Übernachtungsstopp auf der einsamen Insel Levitha. Sonntag Mittag erreichten wir bekanntes Territorium: Die Kletterinsel Kalymnos. Glücklich machten wir an einer Muringboje in Emporios fest und nutzten den Rest des Tages zum Klettern.

 

Festgesetzt durch die Polizei

Von Korfu aus führte unser Törn in Siebenmeilenschritten in Richtung Peloponnes, wegen der schon knapp gewordenen Zeit bis zum Eintreffen der ersten Gäste blieb leider nicht viel Raum für ausgedehntere Stopps unterwegs. Mit viel Wind aus der richtigen Richtung und unserem erneuerten Rigg kamen wir zügig und sicher und mit Freude am Segeln voran, aber die entsprechende Welle arbeitete sich bis nachts selbst in die meisten Häfen vor und so war leider nur selten an guten Schlaf zu denken. Wir gönnten uns einen Nachmittag vor Anker nördlich von Mytikas, um im dortigen Klettergebiet an ausgezeichnetem Kalkstein zu klettern. Mit Wind und Schatten waren die Temperaturen erträglich und es war ein gutes Gefühl, uns endlich einmal wieder zu bewegen. Ein weiteres Highlight auf unserem Weg war ein riesiges Schildkrötenpärchen im Hafen von Kyparissia, bestimmt 80-90cm lang waren die Tiere und damit die größten, die wir jemals gesehen hatten. Entspannt schwammen sie durch das Hafenbecken, tauchten hier und da auf und guckten uns mit großen Augen an. Nördlich von Pylos ankerten wir in der großen Navarinou-Bucht, hier hatte im 19. Jahrhundert eine große Seeschlacht stattgefunden und es gab multiple Holzschiff-Wracks, eins lag gut sichtbar am Strand angespült. Der Strand an sich war ohnehin großartig: Kilometerlang mit feinem Sand (eine Seltenheit für Griechenland) und dank der Abgelegenheit wenig besucht lud er zu ausgedehnten Spaziergängen ein. Das flach auslaufende Wasser glitzerte weiß-blau und erzeugte ein gewisses Karibik-Gefühl. Nicht, dass wir jemals dort waren, aber so ähnlich stellten wir es uns vor. Hinter dem Strand lag ein kleiner wanderbarer Berg mit der Ruine einer Festung auf dessen Gipfel, von der man eine tolle Aussicht die Steilküste hinunter und über das offene Meer und auf der anderen Seite auf die Navarinou-Bucht, den Sandstrand und Pylos am anderen Ende der Bucht hatte.

 

Auch hier galt es noch einiges an Reparaturen zu erledigen, Wäsche zu waschen, aufzuräumen und das Boot zu schrubben, denn am Dienstag kamen Christoph, Matthias und Henrik an Bord. Zu fünft wollten wir die Peloponnes südlich umrunden und die unterwegs liegenden Klettergebiete beklettern, um eine Woche später in Nafplion einzutreffen. Der verlässliche nachmittägliche Wind bescherte uns eine schnelle Überfahrt zur unbewohnten Insel Sapientza, wo wir den Anker fallen ließen und übernachteten. Mit einem der schönsten Sternenhimmel überhaupt, denn um uns herum war es bis auf das Leuchtfeuer am südlichen Inselzipfel stockfinster und so bewunderten wir die Milchstraße genau über uns. Am nächsten Tag wollten wir die lange Strecke um das zweite Peloponnes-Kap herum bis nach Porto Kagio zurücklegen und so starteten wir schon früh, wobei wir in der morgendlichen Flaute den Motor nutzten. Südlich des ersten Kaps ging die Motordrehzahl plötzlich in den Keller, normalisierte sich kurz wieder, aber keine Minute starb der Motor mit einem jämmerlichen Geräusch ab und ließ sich auf Gedeih und Verderb nicht wieder starten. Das Schiff stoppte auf, legte sich quer zur Welle und rollte in der Flaute unbarmherzig hin und her. Sofort hatten wir den Diesel im Verdacht. Der acht Jahre lang im Tank vor sich hin gegammelt habende Treibstoff war in Plataria von Leon und Herbert zwar abgepumpt und durch frisch gezapften Diesel ausgetauscht worden, aber ein Rest des flockigen Alt-Diesels war dennoch im Tank verblieben. Denn es gab leider keine Wartungsöffnung, durch die wir den Tank anständig hätten putzen können. In weiser Voraussicht hatten wir ein paar Kraftstofffilter als Reserve erworben und nun war offenbar der perfekte Moment gekommen, unseren ersten Filterwechsel zu versuchen. Dank Seegang kostete es einiges Fluchen und Kleckern, aber alles in allem gelang der Wechsel überraschend problemlos. Und tatsächlich, der alte Filter sah relativ zugesetzt aus. Optimistisch starteten wir den Motor erneut, vielmehr versuchten wir es, denn die Maschine wollte trotz einwandfreien Startergeräuschs weiterhin einfach nicht anspringen, schien aus irgendwelchen Gründen keinen Diesel zu bekommen. Mist. Unsere Dieselstandanzeige hatte noch nie funktioniert und zeigte immer voll an, darauf war kein Verlass. Wir gingen im Kopf also noch einmal die Motorstunden seit dem letzten Tankstopp durch. Vielleicht hatten die Manöver doch deutlich mehr Sprit benötigt als angenommen oder vielleicht stimmte der angegebene Verbrauch des Motors ohnehin nicht und lag deutlich höher? Und vielleicht waren wir beim letzten Tankstopp übers Ohr gehauen und der Tank war nicht voll befüllt worden? Welche Ursache auch immer führend war, unser Dieseltank schien jetzt peinlicherweise leer zu sein, das war die naheliegendste Lösung. Das Gute daran war immerhin, dass wir keinen Mechaniker und keine Ersatzteile benötigten, sondern nur eine Tankstelle. Und die gab es in Koroni, etwa fünf Seemeilen nördlich von uns. Bei weiterhin absoluter Flaute mussten wir jedoch erst einmal dorthin gelangen. Kurzerhand spannten wir das mit dem Elektroaußenborder bewaffnete Beiboot mit langen Leinen vor das Mutterschiff und versuchten, es zu schleppen. Das gelang in gewissem Umfang auch (wir schafften knappe zwei Knoten Fahrt), allerdings würde der Akku des Außenborders laut Anzeige nur 1h40min durchhalten, das reichte also nur für etwa drei Seemeilen, nicht die benötigten fünf. Während ich in der sengenden Hitze das Schiff in einem Anflug von Aktionismus trotzdem mit leisem Surren durch die Wellen in die richtige Richtung zog, versuchte Fredi, über Funk den Hafen und Yachten im Umkreis zu erreichen. Vielleicht würde uns ja jemand für einen Kasten Bier die verbleibende Strecke in den Hafen schleppen. Ein netter australischer Katamaran bot seine Hilfe an, er würde seinen Kurs entsprechend ändern und wäre dann in etwa 40 Minuten bei uns. Die Hafenpolizei antwortete ebenfalls, vergewisserte sich, dass keine bedrohliche Situation vorlag und erklärte, dass sie kein eigenes Boot hätten und höchstens einen einheimischen Bootseigner fragen könnten. Das wäre dann aber ein “private agreement”, wir müssten also um den Preis verhandeln. Nun, der Australier war sowieso schon unterwegs, also entschieden wir uns für ihn. Ein Touristendampfer fuhr vorbei und empfahl uns, doch unsere Segel zu nutzen. Auf diese Idee waren wir noch gar nicht gekommen, aber als einige Minuten später tatsächlich Wind einsetzte, folgten wir der Empfehlung und segelten gemütlich in Richtung Koroni. Plötzlich ertönte der Alarmton des Funkgeräts und kurz darauf folgte die Durchsage: “Pan Pan, Pan Pan, Pan Pan!” Eine Dringlichkeitsmeldung, also jemand, der Hilfe brauchte, auch wenn vorerst keine akute Gefahr für Leib und Leben bestand. Auch wenn wir selbst gerade nicht in der Lage waren, jemandem sinnvoll Hilfe zu leisten, hörten wir dennoch gespannt zu. Und trauten unseren Ohren nicht, als die Stimme fortsetzte (übersetzt): “Hier ist Olympia Radio (der offizielle Seefunkdienst Griechenlands). Die deutsche Segelyacht Moana, ca. 4sm südlich von Koroni, ist außer Kontrolle und benötigt dringend Schlepphilfe. Die Telefonnummer lautet:…” Und dann wurde Fredis Telefonnummer unter ihren lautstarken Protesten über Funk über das gesamte griechische Seegebiet hinweg verbreitet. Ein Blödsinn, wir hätten nie “Pan Pan” gefunkt und unsere Lage war alles andere als bedrohlich. Daher funkte ich umgehend an alle Seefunkstellen zurück, dass wir aktuell keinerlei Hilfe benötigten und Olympia Radio das “Pan Pan” mit sofortiger Wirkung aufheben möge. Antworten wollte mir niemand. Wohl aber Fredi, deren Handy kurz vor dem Hafen Koronis dreiundzwanzig verpasste Anrufe anzeigte, allesamt von der Hafenpolizei. Noch bevor wir uns angemessen über die Leute aufregen konnten, kam auch schon der vierundzwanzigste Anruf: Wir sollen uns nach geglücktem Ankermanöver bei der dortigen Dienststelle melden.

Dem leisteten wir brav Folge und erfuhren, dass unser Boot mit sofortiger Wirkung festgesetzt sei. Unsere Ausweise wurden einbehalten und wir dürften Koroni nicht verlassen. Denn schließlich sei unser Schiff offenbar nicht seetauglich, denn wir hätten ja “Pan Pan” gerufen. Dass wir das nicht haben, bestritt er und es sei ohnehin egal, da sämtliches Hilfeersuchen an offizielle Stellen hierzulande als Dringlichkeitsmeldung gewertet würde. Der weitere Weg sei in jedem Fall der gleiche: Wir müssten uns an die deutsche Botschaft wenden, diese müsste ein Formular ausfüllen, dass einem staatlich autorisierten griechischen Bootsmechaniker die Erlaubnis erteilte, ein deutsches Boot zu betreten und zu inspizieren. Dann müssten wir einen solchen Mechaniker kontaktieren, einen Termin vereinbaren und dieser würde dann unser Boot inspizieren und ihm nach behobenem Problem (also Auffüllen des Dieseltanks) die Seetauglichkeit attestieren. Das ganze würde um die 500-1000€ kosten und sich mit etwas Glück schon im Laufe des Folgetags erledigen lassen. Vergeblich suchte ich den Raum nach der versteckten Kamera ab. Wir diskutierten noch eine ganze Weile, aber es war absolut nichts zu machen. Frustriert rief ich bei der deutschen Botschaft in Athen an. Die dortige Mitarbeiterin lachte sich schlapp, solch eine absurde Blüte griechischer Bürokratie habe sie auch noch nicht erlebt und wisse spontan auch nicht, was sie da machen könne oder müsse. Jetzt am späten Nachmittag seien aber schon alle zu Hause und sie hätte nur das Notfallhandy. Ich müsste mich am folgenden Morgen erneut melden, dann sei eine griechische Mitarbeiterin da, die sich damit vermutlich auskenne.

Die Crew zapfte derweil netterweise viel Diesel bei der Tankstelle am Stadtrand und trug ihn in Kanistern zum Boot. Wir begannen, den Tank zu füllen, aber nach etwa 50 Litern ging nichts mehr hinein. Der Tank fasste jedoch 135l und war ja schließlich leer gewesen, also musste ein weiteres Problem vorliegen, möglicherweise mit der Tankentlüftung? Funktionierte diese nicht, konnte auch kein weiterer Treibstoff hineingefüllt werden. Vielleicht war das auch schon beim letzten Tanken das Problem gewesen: Der Tank war vermutlich nie voll. Kein Wunder, dass uns unerwartet früh der Diesel ausgegangen war. Aber am Anfang in Plataria hatten sich durchaus problemlos 135l Diesel in den leergepumpten Tank füllen lassen. Ein Puzzleteil schien noch zu fehlen… Wie auch immer: 50l sollten erst einmal für eine Weile reichen. Wir entlüfteten die Dieselleitung und TADA!, die Maschine schnurrte wieder wie ein Kätzchen.

Am nächsten Morgen rief ich wieder die Botschaft an. Diesmal war die versprochene griechische Mitarbeiterin am Apparat. Diese fand die ganze Situation überhaupt nicht absurd, es handle sich vielmehr um eine sinnvolle Regelung, die unsere Sicherheit gewähren solle. Dass man als Segler ein intrinsisches Interesse daran hat, auf einem seetauglichen Boot unterwegs zu sein und solche Regelungen vielmehr fördern, dass Leute sich eher gefährden, weil sie aus Angst vor Sanktionen auch im Notfall eher zu spät um Hilfe ersuchen, überzeugte sie wenig. Griechische Regeln seien durchdacht und alles in allem der Perfektion ziemlich nah. Sie bot jedoch an, der zuständigen Polizeibehörde ein Dokument zuzusenden, auf dem ich unterschreiben könne, die Verantwortung für mein Boot zu übernehmen, in den meisten Fällen dürfte man dann weitersegeln. Immerhin. Und tatsächlich, nachdem das Dokument in Koroni angekommen war, die Polizisten es zu deren Oberabteilung nach Kalamata schickten, die es wieder zurückschickten, ich es unterschrieb, die Polizisten mir ein Formular ausstellten, dass ihre zuvorige Festsetzungsanordnung mit sofortiger Wirkung aufgehoben sei, ich auch dieses unterschrieb und sie sich für meine Kooperation bedankten (was wäre auch die Alternative gewesen, der überschüssige Diesel war zu wenig explosiv, um die Polizeiwache damit in die Luft zu jagen), waren wir offiziell frei und durften von dannen segeln.

Mit wieder richtig viel Wind umrundeten wir das zweite Peloponnes-Kap und warfen bereits im Dunklen den Anker in der Bucht von Porto Kagio. Und am nächsten Tag ging es direkt weiter: Ein etwas kürzerer Schlag führte uns, wieder mit viel Wind und Welle, an Elafonisos vorbei bis in den kleinen Hafen von Prophitis Ilias, wo neben uns maximal eine weitere Yacht Platz gehabt hätte. Allein die Hafeneinfahrt zwischen Mole und Felsen war so schmal, dass man den Ouzo hier definitiv erst nach dem Festmachen trinken sollte. Aber ein wahrlich toller Ort! Ein paar Fischerboote, viele Katzen, ein paar Häuschen mit in allen Farben blühenden Blumen und im Hintergrund der karge Berg Zobolo, über das der starke Wind die Wolken fegte. Und direkt auf der anderen Seite, keine zehn Meter von uns entfernt, donnerte die Brandung an die Mole und die Gischt füllte die Luft mit Salz. Das Klettergebiet am Zobolo ließ sich in einer dreiviertel Stunde zu Fuß erreichen und so gingen Henrik und Matthias am nächsten Morgen klettern. Christoph brauchte eine Pause, Fredi hatte Schulterschmerzen und ich blieb aus Solidarität ebenfalls unten und wir widmeten uns, eigentlich wie immer, den Bootsarbeiten und einem Spaziergang. Christoph hatte netterweise den reparierten Kurscomputer des Autopiloten aus Deutschland für uns mitgebracht und den schlossen wir jetzt an. Leider funktionierte der Autopilot trotzdem weiterhin nicht, es war zum Mäuse melken.

Nachmittags stachen wir in See und umrundeten mit achterlichem Starkwind das berüchtigte Kap Maleas, das dritte Peloponnes-Kap. Die Fahrt war anstrengend, aber lief gut und an Verlusten hatten wir nur eine Schirmmütze und den Unterliekstrecker zu beklagen. Glücklicherweise hatten wir noch eine Ersatzschot dabei und so ersetzten wir das Tau noch in Fahrt. Über Monemvasia, Leonidio und Bibari ging es nach Nafplion und an den letzten zwei Tagen kamen wir endlich mal ein bisschen zum Klettern. Der alten Stadt Monemvasia statteten wir natürlich auch einen Besuch ab und sie beeindruckte uns sehr. In Nafplion verließen unsere Gäste uns und gaben uns mal wieder einer Mischung aus Bootsarbeiten und Freizeit hin. Auch ein schöner Klettertag war dabei. Wir schraubten das gesamte Tankentlüftungssystem auseinander und prüften alles auf Gängigkeit. Das hieß, ich blies in jede Menge stinkender Dieselschläuche und Überlauföffnungen und habe damit vermutlich mehrere Jahre Nichtrauchen kompensiert. Das Ergebnis war, dass alles problemlos funktionierte. Wir tankten erneut, aber auch diesmal ging nicht viel in den Tank. An der Entlüftung konnte es nicht liegen. Und so dämmerte es uns, dass es schlicht und ergreifend kein Problem mit dem Tank gab. Der Tank war nie leer gewesen und der Motor arbeitete vorbildlich sparsam. Warum war die Maschine also ausgefallen? Es wird in der Tat der verstopfte Filter gewesen sein und was wir danach mangels Erfahrung vergessen hatten, war das Entlüften der Leitung, das hatten wir schließlich erst nach dem Tanken erledigt. Eine Schraube und zehn Sekunden Pumpen hätte uns unglaublich viel Ärger erspart. Aber im Nachhinein ist man immer schlauer und die Geschichte mit der Polizei können wir noch unseren Enkeln erzählen.

Und unsere neue Genua war endlich fertig! Mit dem Bus fuhr ich nach Athen, wo ich das gute Stück entgegennahm. Auf das Segeln waren wir schon sehr gespannt!

Mastektomie

Unser erster Schlag führte uns über Paxos weiter nach Süden in Richtung Lefkas, wo ein Techniker unseren defekten Autopiloten reparieren und ein Rigger nach vielen Jahren vor der großen Fahrt unser stehendes Gut prüfen sollte. Als “stehendes Gut” werden im Prinzip alle Aufbauten zum Segeln, die kein Tauwerk sind, also im Wesentlichen der Mast und alle Drähte, die ihn stützen, bezeichnet. Bei Flaute fuhren wir größere Teile des Tages unter Motor nach Preveza, wo am Folgetag Fredis Schwester Bici und deren Freundin Tabea zusteigen wollten. Die Idee war, in der Bucht direkt hinter dem Flughafen zu ankern und die beiden mit dem Beiboot einzusammeln. Der Wind wehte nur schwach von hinten, die Sonne schien und für den verbleibenden Tag und die Nacht waren friedliche Bedingungen vorhergesagt, sodass wir das Boot für die zwei Seemeilen von der Stadt zum Flughafen nicht großartig seefest machten, die Genua (das Vorsegel) setzten und gemütlich in Richtung Flughafen dümpelten. Vorerst, denn nach wenigen Minuten Fahrt kamen plötzlich und unerwartet Schaumkronen auf uns zugerast und noch bevor wir das Segel auch nur ansatzweise bergen konnten, hatte uns ein Starkwindfeld fest im Griff. Das Schiff krängte, unten im Salon fielen Gegenstände durcheinander und Moana raste los. Normalerweise ein großer Segelspaß, aber mit unvorbereitetem Boot und unvorbereiteter Crew gefährlich. Fredi versuchte unten, alles festzuhalten, während Andreas und ich versuchten, die Genua wegzureffen. Ohne funktionierenden Autopiloten war jedoch einer am Steuer gebunden und beim anliegenden Winddruck misslang das Manöver. Mit zugeschaltetem Motor fuhr ich Moana in den Wind, der Segeldruck war weg, aber das Segel schlug im Starkwind wie wild und das alte Tuch riss sofort. Dafür gelang es nun, das Segel zu bergen, zumindest teilweise. Bevor noch größerer Schaden entstand, entschied ich mich, das Segel kurzerhand mit Hilfe der Winsch wegzureffen. Und das, obwohl ich es auf meinen Törns immer allen verbiete, denn wenn ein Widerstand da ist, sollte man die Ursache suchen und bekämpfen und nur wenn sicher ist, dass sich nichts verklemmt, darf man ausnahmsweise mal die Kurbel zu Hilfe nehmen. Mit einem nur kleinen Segelrest, der noch draußen war, aber wie wild schlug und da ich jederzeit weitere Risse befürchtete, griff ich zur verbotenen Kurbel. Es gelang mir, das Segel wegzureffen, aber ein sehr unschönes Geräusch ließ dabei nichts Gutes vermuten. Wir fuhren die paar Meter zur Ankerbucht zurück und ich inspizierte den Schaden. Das Vorstag, ein Drahtseil, das den Mast nach vorn stützt, war abgerissen. Der nächste große Rückschlag.

Nun gut, den Termin beim Rigger hatten wir ohnehin und da der Rest des stehenden Guts auch schon in die Jahre gekommen war, entschieden wir uns, gleich alles tauschen zu lassen, um zukünftig beruhigter segeln zu können. Das sei kein Problem, sagte man uns, wir sollen einfach zum Check-Termin erscheinen, da würde man alles vermessen und in der darauffolgenden Woche die Arbeiten erledigen. Gesagt, getan, wir ersetzten das gebrochene Vorstag behelfsmäßig durch ein Spinnakerfall und fuhren unter Motor (der inzwischen einwandfrei und zuverlässig funktionierte, man soll ja nicht nur meckern) nach Lefkas. Die Rigger kamen an Bord, begutachteten alles, sagten uns, dass wir für die Formalitäten ins Büro am anderen Ende der Marina kommen sollten und verabschiedeten sich mit “see you next week!”. Also marschierte ich sofort ins Büro, sonst gab es ohnehin nicht viel zu tun, und stand zehn Minuten später in einem angenehm klimatisierten Raum, überall Tauwerk, Segeltuch und anderes Bootszeug, und in der Mitte ein Schreibtisch mit einer netten Dame dahinter. Die den Auftrag so annehmen würde wie besprochen, allerdings mit der “klitzekleinen” Änderung, dass sie die Arbeiten erst Ende August erledigen könnten. Ende August? Das war anders besprochen und wir wollten zum einen bald segeln und uns zum anderen auch nicht veräppeln lassen. Aber freundliches Bitten und gutes Zureden halfen genauso wenig wie Schimpfen und Drohen und so beschloss ich, Konkurrenzangebote aus der Region einzuholen. Im Prinzip überall das selbe: Man würde sich gern kümmern, aber da ganz Griechenland im August in eine Art Sommerschlaf falle, Betriebe stillstehen, Lieferanten nicht liefern und Arbeiter nicht arbeiten, könne man uns erst einen späteren Termin anbieten. Die einzige Ausnahme bildete ein großer Betrieb auf Korfu, dessen freundlicher Manager Errikos mir am Telefon zusagte, dass man gleich nächste Woche beginnen könne und vermutlich auch bis Ende der Woche fertig werde. Großartig! Wir packte unsere sieben Sachen zusammen und fuhren unter Motor das Wochenende hindurch wieder zurück Richtung Nordwesten nach Korfu. Bei jeder größeren Welle gestresst, ob der behelfmäßig befestigte Mast halten würde, denn ein Mastbruch, das war klar, würde mehr oder weniger einen Totalschaden bedeuten. Montag war, wie so oft in Griechenland, ein Feiertag, also legten wir am Dienstag in der Marina Gouvia an und standen Errikos gegenüber. Dieser machte Mut, man würde heute schon mit den Vorbereitungen starten, morgen den Mast entfernen und das stehende Gut im Laufe der Woche ersetzen. Jedoch habe sein Chef-Rigger ihn gebeten, uns mitzuteilen, dass wir den Mast vermutlich nicht bis Ende der Woche zurückerhielten, sondern es wohl erst Anfang nächster Woche etwas werden würde. Das war anders besprochen, aber gut, ein paar Tage hin oder her machten den Kohl nicht fett, und so begannen die Arbeiten. Der Mast wurde mit einem großen Kran entfernt (wir sprachen medizingeschädigt immer von der “Mastektomie”) und an Land aufgebahrt, um im Laufe der folgenden Tage mit neuem Material bestückt zu werden. Was das kostet, solltet ihr besser gar nicht erst fragen… Nach Möglichkeit versuchten wir, jeden Nachmittag wieder aus der Marina abzuhauen und draußen zu ankern, denn auch die Übernachtung kostete je nach Tag 76-90€. Dafür waren immerhin ein kaum funktionierendes WLAN und alte Campingplatztoiletten inklusive sowie freier Zugriff auf Salzwasserhähne. Für Süßwasser wären 14€ Zuschlag fällig gewesen.

 

Beim Ankern fiel jedoch auf, dass das Brett, auf dem die leistungsstarke Ankerwinsch befestigt war, morsch war und sich bei jedem Aufholen des Ankers gefährlich nach unten durchbog. Wir befragten zwei Bootsmechaniker dazu und sie versicherten uns unabhängig voneinander glaubhaft, dass das Brett schon angebrochen sei. Ein Austausch war nötig, damit uns nicht irgendwann beim Anker aufholen die gesamte Platte mitsamt Winsch in hohem Bogen über Bord fliegen würde, und so kam Nikos ins Spiel. Ein netter griechischer Familienvater (wie wir lernten), der uns für viele, viele weitere Euros ein neues Brett als GFK-Sandwich anfertigen und einpassen würde. Eine Wahl hatten wir nicht und so sagten wir zu. Eine Woche würde er brauchen, maximal, und so konnten immerhin beide Reparaturen zeitgleich ausgeführt werden. Ankern konnten wir jedoch logischerweise nicht mehr und so investierten wir viel Geld in die Marina Gouvia und bekamen zum Dank lauthals grölende italienische Chartercrews als Nachbarn oder durften den von der Marina-Bar organisierten “Spanischen Abend” miterleben, das bedeutete vollen Bassklang über alle Stege hinweg bis nachts um 3 Uhr. Tagsüber brüteten wir in der schwülen Hitze und es war kaum möglich, Arbeiten unter Deck zu erledigen, allenfalls in den frühen Morgen- und späten Abendstunden. Für Sport war es auch zu warm, durch die überfüllte, wenn auch schöne Innenstadt zu spazieren hatten wir auch bald satt und so vegetierten wir vor uns hin und kamen an guten (windigen) Tagen ein bisschen mehr und an schlechten Tagen kaum mit den Bootsarbeiten voran. Die Stimmung war am Boden. Passanten, die uns schadenfroh ein “euch fehlt da was” oder “nice motorboat” entgegenwarfen, verbesserten das Gefühl kaum. Erst recht, als uns Errikos auf mehrmalige Nachfrage mitteilte, dass das Rigg doch noch länger brauchen würde und uns von Tag zu Tag auf den nächsten vertröstete.

 

Am Ende wurde es nicht zum Ende der ersten Woche und nicht zum Anfang der folgenden, sondern erst zum Ende der folgenden fertig. Nikos hingegen kam täglich vorbei, setzte sich unter seinen mitgebrachten Sonnenschirm aufs Vorschiff und bastelte an der neuen Befestigungsplatte für die Wisch. Ab und zu brachte er uns einheimisches Ginger Ale in verschiedenen Geschmacksrichtungen mit, setzte sich mit uns ins Cockpit und quatschte zwei Sätze in gebrochenem Englisch, bevor er wieder von dannen zog. Das waren immer die nettesten Momente in der gefühlt feindlichen Marina, die uns regelrecht das Geld aus der Tasche zog.

Das Wochenende nutzten wir, um unter Motor nach Plataria zu fahren, wo Tina uns netterweise eine alte (aber ganze!) nicht mehr benötigte Genua übergab. Das Segel war zwar zu kurz, aber besser als gar keins und so würden wir nach dem Wiedereinbau des Mastes bis zur Fertigstellung unserer neuen Genua immerhin mit zwei Segeln segeln können. Wir rollten das Tuch aus und überraschenderweise war es von Walter Benrowitz angefertigt worden, Am Pichelssee in Berlin-Spandau, der Segelmacher aus dem Nachbarhaus! Zufälle gibt’s. Sogar ein Berliner Bär war am Vorliek aufgedruckt.

 

Am Freitag gaben alle Beteiligten noch einmal Vollgas und arbeiteten bis zum Abend, Nikos an der Ankerwinschbefestigung und Errikos Team am Rigg. Trotz aller Frustration kam dann gegen 19 Uhr der tolle Moment, als der Mast wieder stand, die Ankerwinsch wieder angeschlossen war und plötzlich ein funktionstüchtiges Segelboot vor uns stand. Nach einem Handschlag legten wir ab und fuhren die halbe Seemeile hinaus in die Ankerbucht vor der Marina. Der Abend wurde perfekt: Sternenklar und von den Lichtern der die Bucht säumenden Hotels umgeben lauschten wir in der absoluten Exklusivität unseres Cockpits dem Open-Air-Jazzkonzert an Land, während wir unser Abendessen genossen. Glücklich, dass wir den Reparaturmarathon endlich hinter uns hatten und viele zu entdeckende Orte nun auf uns warteten.

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