Es ist geschafft! Nach viel Arbeit und einigen Unwegsamkeiten ist Moana nach acht Jahren Trockenheit endlich in ihr natürliches Element, das Wasser, zurückgekehrt. Fredis Eltern waren auch dabei und halfen tatkräftig bei den letzten (dachten wir…) Reparaturen mit. Unsere Aufregung war groß, als das fast zehn Tonnen schwere Schiff von einem antiquierten Traktor von der Werft über die staubige Brachfläche zur selbstgebauten Mini-Kaimauer gezogen wurde, wo uns der Kran mit stoischer Gelassenheit erwartete. Der Kran, jedoch nicht der Kranführer, letzterer traf landesüblich erst zwanzig Minuten später ein, stellte sein klappriges Mofa in die Ecke und zündete sich eine Zigarette an. Und dann ging es auch schon los. Gurte wurden befestigt, Leute riefen sich hektisch wichtige Dinge auf Griechisch zu und schon schwebte Moana in wenigen Metern Höhe zur Seite und wurde langsam ins Meer abgesenkt. Gespannt gingen wir zusammen mit dem österreichischen Motorexperten Herbert an Bord. Alle Seeventile waren dicht und es blieb absolut trocken im Schiff. Eine erste gute Nachricht.

 

Frederikes Vater Andreas ist Chemiker und in seiner großen Pharmafirma testet man neu konstruierte Anlagen vor der ersten richtigen Benutzung dadurch, dass man statt der eigentlichen oft zig- bis teilweise hunderttausende Euro teuren Substanzen erstmal Wasser durchlaufen lässt. So riskiert man bei Fehlfunktionen nicht den Verlust der teuren Charge. Das nennt sich im Fachjargon “Wasserfahrt” und so gab Andreas auch unseren ersten Testtagen im Wasser diesen passenden Spitznamen, nur dass in unserem Fall nicht Wasser durch die Anlage fährt, sondern die Anlage durchs Wasser. Und dass wir nicht planen, später mit unserem Schiff durch teure Chemikalien zu fahren, nur fürs Protokoll. Aber so hatte sich das Wort bei uns schnell etabliert und wir waren bereit für unsere Wasserfahrt!

 

 

Herbert startete den Motor und nach kurzem Zögern lief er trotz langer Ruhezeit problemlos an. Doch zu früh gefreut: Trotz frisch getauschten Impellers kam kein Kühlwasser aus dem Auspuff, der Motor würde ohne Seewasserkühlung über kürzere Zeit heiß laufen und versterben. Mehrere Versuche einer schnellen Diagnose und Therapie versagten und so war schnell klar: Aus der Wasserfahrt wird erstmal nichts. An der Kaimauer konnten wir nicht bleiben, denn nachmittags würde der üblicher Nordwestwind einsetzen und die mit ihm heranrollende Welle uns an der Mauer zermalmen. Am besten, sagte Herbert, sei es, das Boot wieder herauszukranen. Da hatten wir so lange auf diesen Moment gewartet und dann das. Die Enttäuschung stand uns ins Gesicht geschrieben. Doch schweren Herzens stimmten wir zu, das Boot sollte wieder zurück an Land. Aber der Kranführer war in der Zwischenzeit schon wieder abgehauen, die Option war weg. Wir könnten den Motor kurz starten, um von der Mauer wegzukommen, zum Hafen hinübersegeln und dort unter Segel oder kurzzeitigem Motoreinsatz anlegen. Aber wenn irgendetwas nicht klappen sollte, und das wäre durchaus realistisch, hätten wir die Wahl zwischen einem kaputten Motor und einem Abschalten des Motors und Zerschellen am Ufer. Fischer Dimitri, so sagte einer der Leute vor Ort, könnte uns für 50€ mit seinem Boot in den Hafen schleppen. Für die halbe Seemeile war der Preis maßlos übertrieben, aber mangels sicherer Alternativen willigten wir zähneknirschend ein und kurze Zeit später hingen wir für wenige Minuten an einer langen Leine hinter einem tuckernden Fischerboot, um nach wenigen Minuten im Hafen von Plataria festzumachen.

 

 

Bei über 35°C Außentemperatur machte es sich Herbert im Motorraum bequem. Schweiß strömte über sein Haupt und unter lautem Fluchen (“an Scheeiß is doch des!”) werkelte der 60-jährige ausgewanderte Österreicher an unserer Maschine herum. Testete dies und das, entfernte ein riesiges verlassenes Wespennest aus der Luftzufuhrleitung und konnte schließlich einen durchkorrodierten Krümmer als Übeltäter identifizieren. Was dieser war, wusste ich nicht genau, aber er schien immerhin wichtig zu sein. Ein Spenderorgan musste her und das erhielten wir im anderthalb Autostunden entfernten Lefkas, gegen eine Spende von 400€. Bereits am nächsten Tag war das neue Teil eingebaut und wir unternahmen einen neuen Startversuch. Der Motor sprang problemlos an und wir ließen ihn an der Pier sicherheitshalber erst einmal zehn Minuten lang laufen. Nachdem er über die gesamte Zeit brav Kühlwasser ins Hafenbecken erbrach und auch sonst nichts auffällig war, legten wir ab. Ein anderes Boot hatte seine Ankerkette über unsere gelegt (keine Seltenheit in griechischen Häfen) und nachdem wir unseren Anker nach weiteren fünf Minuten befreit hatten, freute ich mich schon auf die Hafenausfahrt. Die letzten 10m Ankerkette wollten noch aufgeholt werden, als plötzlich stinkender Rauch aus dem Motorraum aufstieg. Sch… Ich stoppte die Maschine und rief zum Bug, dass Fredi den Anker nicht weiter aufholen solle. Bei relativ wenig Wind hielt uns die verbleibende Kette glücklicherweise und wir schwojten (so heißt das Bewegen des Schiffs vor Anker) wenige Meter vor den Bugspitzen einer englischen Flottille. Deren Crews eilten uns netterweise mit einem motorisierten Beiboot und mehreren Leinen ziehenden Händen auf den Schiffen zu Hilfe und gemeinsam bugsierten wir die Moana in eine freie Lücke an der Pier zurück. Herbert wurde angerufen, Reklamation! Gemeinsam mit Andreas nahm er die Maschine erneut auseinander und die beiden freundeten sich an. Neben dem zufälligen Partnerlook besiegelte die Feststellung, dass beide Baujahr 1962 sind, die Freundschaft endgültig. Unter vielem weiteren Schweiß, aber kaum noch Fluchen (Andreas schien einen positiven Einfluss auf Herbert zu haben) stellten die beiden fest, dass es sich um ein elektrisches Problem handelte und der Entlüftungsventilator für den Motorraum wegen einer herausfliegenden Sicherung immer wieder keinen Strom erhielt. Dieses Problem konnte glücklicherweise schnell gelöst werden und so ging es einen weiteren Tag später hinauf aufs Meer und unter Segeln in eine tolle Ankerbucht mit Höhle auf Paxos! Wasserfahrt mit einigen Komplikationen vorerst erfolgreich.