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Tea time!

Die Überfahrt zu den Scilly Islands stand an! 125 Seemeilen, für uns entsprechend etwas über 24h, fühlten sich nach der Biskaya fast wie ein Katzensprung an. Um 6 Uhr morgens starteten wir und während der Wind in den ersten Stunden noch auf sich warten ließ, schob uns der Ebbstrom zuverlässig durch den berüchtigten Chenal du Four nach Nordwesten. Turbulente Strömung und viele Felsen und Untiefen machten die Fahrt anspruchsvoll, aber insgesamt war es doch eher harmlos. Auf der offenen See hinter der uns schon bekannten Ile d’Ouessant setzte dann auch der Wind ein und auf tiefem Anwindkurs machten wir durch die relativ ungemütliche Welle leider nicht so viel Fahrt wie erhofft. Voran ging es aber allemal und interessant blieb es auch, da wir immerhin die Ausläufer des Ärmelkanals passierten, der immerhin zu den am stärksten befahrenen Schifffahrtsrouten der Welt gehört. Mit immer einem Auge auf dem AIS querten wir die Straße teils vor, teils hinter riesigen Containerschiffen und Mehrzwecktrockenfrachtern (das Wort hatten wir von Thomas gelernt und waren sehr stolz darauf) und fühlten uns wie beim Radeln durch Berlin. Fredi machte die ungemütliche See leider sehr zu schaffen und so übernahm ich allein die komplette Wache, bis am nächsten Morgen um kurz nach 7 Uhr endlich die Scilly Islands in Sicht kamen. Die Begrüßung war sehr britisch: Dichte Bewölkung, feucht-kühle Luft und Sprühregen ließen nun keinen Zweifel mehr aufkommen, dass wir die warmen Regionen Südeuropas endgültig hinter uns gelassen hatten. Die Scilly Islands sind ein Archipel westlich der äußersten Spitze Cornwalls im offenen Atlantik und haben den Ruf, Großbritanniens Karibik zu sein. Durch das milde Seeklima wachsen dort sogar Palmen und viele Sandstrände und kristallklares Wasser lassen, bei entsprechendem Wetter, so richtig Urlaubsstimmung aufkommen. Die Ankerbucht zwischen St. Agnes und Gugh versprach bei den aktuellen Bedingungen guten Wind- und Wellenschutz und so ankerten wir dort zwischen zahlreichen anderen Segelbooten. Nach Ausschlafen und Wetterbesserung erkundeten wir die abgelegenen und sehr lieblichen Inselchen. Nur eine Handvoll Einwohner lebten auf St. Agnes, auf Gugh gab es sogar nur genau ein Haus. Auch die Touristenmenge hielt sich in Grenzen: Ein paar vorwiegend britische und französische Segelcrews aus der Bucht waren mit ihren Beibooten am die zwei Inseln trennenden Strandstreifen angelandet und eine Bootsladung voller Besucher, die von der Hauptinsel St. Mary’s für einen Tagesausflug mit der Mini-Fähre angekommen waren, belebten die Insel für ein paar Stunden am Tag zusätzlich. Nach dem Ablegen der Fähre am Nachmittag kehrte absolute Ruhe ein.

Ein paar Tage blieben wir in der Bucht, bevor wir ein paar Meilen weiter zur Hauptinsel St. Mary’s fuhren, da relativ starke Winde und Seen angesagt waren, gegen die unsere Bucht keinen ausreichenden Schutz bot. Richtige Häfen gab es auf den Scilly Islands nicht bzw. keinen für herkömmliche Segelyachten, da der Haupthafen von St. Mary’s bei Niedrigwasser trockenfällt. So entschieden wir uns für die Bucht Porth Cressa auf der Südseite von St. Mary’s. Und wir waren nicht die einzigen: Unzählige Yachten lagen bei unserer Ankunft bereits vor Anker und nur mit Mühe ließ sich ein Ankerplatz mit knapp ausreichendem Sicherheitsabstand zu den Schwojkreisen der anderen Boote finden. Auch St. Mary’s gefiel uns sehr gut. Die Menschen waren sehr freundlich und die Landschaft und Blumenwelt famos. Der Rundwanderung um die leicht hügelige Insel war lieblich und führte zu entlegenen Sanstränden, durch bunte Vegetation, über Weiden, an Bauernhöfen vorbei und als Besonderheit über die Landebahn des Flughafens. Lediglich ein kleines Blinklicht vor dem Übergang forderte einen bei Flugbetrieb dazu auf, das startende oder landende Flugzeug vor dem Fortsetzen der Tour abzuwarten.

 

Während draußen eine steife Brise wehte, lagen wir in der Bucht zwar windgeschützt, aber die Welle arbeitete sich vor allem bei Hochwasser (der Tidenhub war mit 5-6m durchaus beachtlich) um den schützenden Landzipfel herum und bescherte uns unruhige Nächte. Nach einer knappen Woche auf den Scillies beschlossen wir, ein zwar nicht perfektes, aber immerhin geeignetes Wetterfenster zu nutzen und die Überfahrt nach Irland anzutreten, da ein Sturmtief vorhergesagt war, das drei Tage später bei uns eintreffen sollte. Das würde ohne sicheren Hafen bestimmt keinen Spaß machen und so liefen wir schon morgens um 5 Uhr aus, um möglichst lange brauchbare Windrichtungen zu haben. Da der Wind zunehmend auf Nord drehen sollte, hielten wir bewusst nach Westen vor und segelten dadurch in einer großen Kurve nach Irland. Immerhin ging die Rechnung auf und wir konnten die gesamte Strecke auf einem Bug zurücklegen. Mit gerefften Segeln und starker Krängung kämpfte sich Moana durch die ungemütlichen Bedingungen.

Im Gegensatz zur Fahrt von Brest zu den Scilly Islands begegneten wir auf der gesamten Fahrt nur einem einzigen Schiff, einer britischen Segelyacht, die uns wenige Stunden nach dem Auslaufen entgegenkam. Deren Skipper hatte nach über 24h auf See keinen aktuellen Wetterbericht mehr abrufen können und fragte uns höflich in gestochenem Oxford-Englisch, ob wir ihm einen aktuelleren Bericht liefern könnten, was wir gern taten. Er erinnerte mich etwas an einen alten britischen Professor, der in Lagos lag und jeweils für Tagesausflüge mit seiner Frau hinausfuhr. Sein Schiff war groß, seine Reaktionen nicht mehr die besten und obendrein fuhr er jedes Hafenmanöver mit voller Fahrt, was Fredi dazu veranlasste, sich bei jedem seiner Anleger mit einem Fender in der linken, einem in der rechten Hand und einem zwischen den Zähnen wie ein Torwart angespannt an Deck zu stellen. Uns traf er zwar nie, dafür aber einmal mit Schmackes den Steg. Nachdem sein spitzer Bug mit dumpfem Scheppern ein dreieckiges Stück Holz aus dem ächzenden Schwimmsteg herausgestanzt hatte, kommentierte er nur völlig ruhig „Well, we have had better landings, haven’t we.“ Zur Vollendung des Klischees fehlte eigentlich nur noch eine Teetasse in seiner Hand. Doch zurück in den Nordatlantik. Rosslare erreichten wir am nächsten Mittag und vor der irischen Küste beruhigte sich auch die See zunehmend, bis direkt vor der Küste Bedindungen wie auf der Havel vorherrschten. Der Wind verhielt sich leider auch so und war in Lee des Landes stark böig, sodass wir immer wieder stark refften, wieder ausrefften und manchmal sogar den Motor nutzen mussten. Da wir zufällig perfekt zum Beginn des nordgehenden Gezeitenstroms vor Rosslare ankamen und uns immer noch der angesagte Sturm im Nacken lag, beschlossen wir, in einem Rutsch bis nach Dun Laoghaire, einem der großen beiden Yachthäfen Dublins, durchzusegeln. Das einzige, was dagegen sprach, war die Angst vor dem Anfunken des Hafens, da wir keinerlei Vorstellung hatten, wie man „Dun Laoghaire“ wohl aussprach. (Später lernten wir, dass es „Dun Leerie“ ausgesprochen wird, die spinnen, die Iren…) Und so segelten wir mit achterlichem Strom mit hoher Geschwindigkeit entlang der Küste weiter nach Norden. Fix und fertig, aber glücklich, setzten wir am späten Abend des zweiten Segeltags zum ersten Mal einen Fuß auf irischen Boden und freuten uns auf die kommenden Pausentage.

Biskaya

Von Leixoes aus war es nur noch ein kleiner Hüpfer entlang der Küstenlinie nach Galizien in Spanien. Dort gefiel es uns richtig gut, es gab grün bewachsene Berge, Nadel- und Eukalyptuswälder, Landzungen mit Heidekrautbewuchs und Leuchttürmen sowie Ankerbuchten mit feinen Sandstränden. Eigentlich hätten wir noch sehr lange in diesem Revier bleiben können, aber für die kommende Woche sah das Wetter perfekt für die Biskayaüberquerung aus und wer weiß, wann das das nächste Mal der Fall sein würde. Daher beschlossen wir, nur eine knappe Woche in Galizien zu verbringen, wo wir ein bisschen wanderten und unseren Motorbatteriehauptschalter ersetzten, und dann zügig die Biskaya zu überqueren. In A Coruna hatten wir zum ersten Mal das Gefühl, so langsam nicht mehr im Süden, sondern in Mitteleuropa angekommen zu sein, als wir durch die Stadt schlenderten. Auch das Wetter wurde langsam deutlich durchwachsener mit Regenschauern und viel Bewölkung. Hier stieß Thomas zu uns, der uns auf unserer Überfahrt unterstützte.

 

Die Biskaya präsentierte sich von ihrer besten Seite: Moderate Segelwinde, maximal 1-1,5m Wellenhöhe, viel blauer Himmel, Delfine und sogar ein kleiner Haifisch zeigten sich uns. Leider hatten wir auch viel Flaute und mussten entsprechend einen Teil mit Motor fahren. Drei Tage und drei Nächte verbrachten wir ohne nennenswerte Komplikationen auf hoher See, bis wir am vierten Morgen in die südwestliche Bucht der Insel Ouessant einliefen und an der Muringboje festmachten. Nach ein paar Stunden Schlaf paddelten wir zur kleinen Pier und erkundeten die wunderschöne Insel mit gemieteten Fahrrädern. Bei strahlendem Sonnenschein hatten wir das Gefühl, in einer Bilderbuchlandschaft unterwegs zu sein. Nur den lange ersehnten Crepe fanden wir leider nicht und speisten wir auf dem Schiff.

 

 

 

 

 

 

Das Seegebiet um die Insel herum ist berüchtigt, da starke Gezeitenströme zwischen den vielen Felsen und Inseln hindurchschießen, insbesondere, aber nicht nur im Winter starke Stürme über die Bretagne hinwegfegen und beides zusammen zu hohen, brechenden Wellen führt, die selbst schon großen Schiffen zum Verhängnis geworden sind. Nach einem großen Tankerunglück vor vielen Jahren wurden daher zahlreiche Leuchttürme in der Umgebung gebaut, einen von denen kannten wir von dem bekannten Foto, auf dem eine bestimmt 10m hohe Welle von hinten an den Leuchtturm donnert, während auf der vorderen Seite der Leuchtturmwärter, fast wie eine Spielzeugfigur wirkend, durch die geöffnete Tür herausschaut, neugierig auf den Helikopter, von welchem aus das Bild aufgenommen wurde. Aktuell konnten wir uns solche Bedingungen allerdings kein bisschen vorstellen, denn die See war ruhig und von starkem Wind keine Spur. Strömungen gab es natürlich trotzdem und wir mussten sie gut in unsere Planung einbeziehen, damit wir es zum Festland nach Camaret-sur-Mer schafften und nicht, wie es in einem Bericht stand, von hinten von einer Fahrwassertonne überholt wurden.

In Camaret fanden wir endlich unseren heißersehnten Crepe und spazierten durch das etwas touristische, aber insgesamt noch sehr nette und ursprüngliche Fischerdorf. Am nächsten Tag tankten wir und fuhren die letzten paar Seemeilen in die Förde hinein nach Brest, wo wir im Hafen festmachten. Die Stadt war nicht übermäßig hübsch, aber sehr lebenswert mit buntem Treiben in den Cafés, jungen Leuten in den Parks und Boule spielenden älteren Herren unter Platanen. Abends gönnten wir uns erneut Crepes, bevor Thomas uns am nächsten Tag verließ und wir noch ein bisschen am Boot arbeiteten. Der Hafen stellte kostenlose Leihräder zur Verfügung und so bunkerte ich noch viel gutes französisches Essen, denn wir hatten frisch beschlossen, von hier nach Großbritannien zu segeln und da würde es bekanntlich nicht die beste Küche geben. Eine Seekarte von Großbritannien suchte ich allerdings vergeblich, obwohl ich in vielen gut ausgestatteten Seefahrtsbedarfläden war. Man schien es hier mit großem Unverständnis zu betrachten, dass jemand überhaupt den Wunsch hegen könnte, die schönen französischen Gewässer wieder verlassen zu wollen. Und so war es in jedem Laden das gleiche Schauspiel: Der Verkäufer fragte nach dem Vortragen meines Anliegens in gebrochenem Englisch noch mal verwundert nach: „Grå Brittöön? Proböbly notte…“ und ging dann die Schublade mit den Karten durch „Golfe de Gascogne 1, Golfe de Gascogne 2, Bretagne Nord, Bretagne Sur, La Manche, La Manche, Bretagne Sur, La Manche… Non, monsieur, excusez moi.“ Nun ja, wir hatten immerhin noch die Reservekarte auf dem Handy und würden es damit schon bis ins Vereinigte Königreich schaffen.

Im Schnelldurchlauf durch Portugal

Während ich in Deutschland noch ein paar Notarztdienste schrubbte, war Fredi bereits wieder mit ihrem Vater Andreas zum Boot gereist. In drei Arbeitstagen arbeiteten sie tagein, tagaus am Boot, sodass wir zum Zeitpunkt meiner Rückkehr neben vielen reparierten Dingen unter anderem neue Obstnetze und eine neue Navigationsleuchte hatten.

Meine Mutter Sabine kam wenige Stunden vor mir in Lagos an und zu viert wollten wir an den folgenden Tagen nach Lissabon segeln. In der Tat sollte es für die gesamte kommende Woche ein Pause im dort sonst üblichen starken Nordwind geben und die wollten wir nutzen, um möglichst viel Strecke gen Norden zu machen. Denn wenn der Wind wieder einsetzte, würde es bedeuten, gegen Strom, Wind und Atlantikwelle aufzukreuzen und das macht nicht nur keinen Spaß, sondern ist auch nicht effizient möglich. So nahmen wir lieber in Kauf, nicht so viel von Portugals Westküste zu sehen. Unsere Gesamtzeit auf dem Boot war schließlich konstant und auch weiter im Norden würde es noch tolle Gegenden zu entdecken geben. Der erste lange Schlag führte uns westwärts an der Algarve entlang und ums Cabo Sao Vicente herum, wo nicht nur plötzlich starker Wind aufkam, sondern sich von hinten ein Orca näherte. Normalerweise ein Grund zur Freude und in diesem Seegebiet waren auch lange keine Angriffe mehr gemeldet worden, aber Orcas sind schnell und man weiß ja nie. Daher schalteten wir lieber den Motor ein, legten den Hebel auf den Tisch und rasten mit Mopsgeschwindigkeit vor die Steilküste in flacheres Wasser. Tatsächlich folgte uns der Orca nicht, vielleicht war er auch nie an uns interessiert gewesen, man weiß es natürlich nicht genau. Aber einer Begegnung aus dem Weg zu gehen, erschien uns alle Male sicherer. Wir segelten noch bis Sines, wo wir nachts in die Marina einliefen. Dort schmiss man uns direkt wieder hinaus, die Marina sei geschlossen, aus Sicherheitsgründen. Äußerst seltsam, so mitten in der Saison, zumal andere Boote dort am Steg lagen. Aber es war absolut keine Verhandlung möglich und so ankerten wir im Vorhafen. Ohne einen Fuß an Land zu setzen, starteten wir gleich am nächsten Morgen in Richtung Lissabon. Der Wind hatte auf Südwest gedreht und produzierte einen zunehmenden Seegang, der bei der Einfahrt in die Flussmündung des Tejo unangenehm steil wurde. Wider Erwarten arbeitete sich die Dünung den Fluss hinauf bis in die Innenstadt und der erste Hafen, in dem wir reserviert hatten, war nicht anlaufbar, da eine ernstzunehmende See im Hafenbecken stand, die ein sicheres Anlegen unmöglich machte. Ganz abgesehen davon, dass selbst, wenn wir es an einen Liegeplatz geschafft hätten, an Schlaf nicht zu denken gewesen wäre. In der größeren und besser geschützten Marina Alcantara bekamen wir glücklicherweise noch einen Liegeplatz und lagen damit in fußläufigem Abstand vom Stadtzentrum. Geschafft! In nur zwei Tagen von Lagos bis Lissabon. Am nächsten Tag machten wir Pause und guckten uns die Stadt an, fuhren mit der histerischen Straßenbahn und kehrten in einem erstklassigen Restaurant ein.

Am nächsten Morgen flog Andreas leider wieder nach Hause, aber Fredi, Mutti und ich liefen aus und wollten es bis Nazaré schaffen. An der Flussmündung des Tejo erwartete uns mit dem gegen die Atlantikdünung laufenden restlichen Ebbstrom eine bösartige steile See, wie wir sie auf dem gesamten Törn nur ein oder höchstens zwei mal erlebt hatten. Bis zu drei Meter hoch türmten sich die Wellenberge vor uns auf und mehrmals knallte das gesamte Schiff unbarmherzig ins folgende Wellental. Immerhin wurde das Vorschiff dadurch gründlich gespült und die neue Navigationsleuchte einem echten Härtetest unterzogen. Eine lange halbe Stunde dauerte der „Spaß“, bis sich die See jenseits der Mündung beruhigte und wir durch gewöhnliche 1,5m Atlantikdünung tuckerten. Teils unter Motor, teils unter Segel legten wir die lange, küstenparallele Strecke nach Nazaré zurück, wo wir kurz vor Mitternacht einliefen. Der noch relativ ursprüngliche Fischerort ist durch seine teils deutlich über 20m hohen Monsterwellen berühmt, die im Winter Big Wave-Surfer aus der ganzen Welt anziehen. Nicht jedoch heute, glücklicherweise. Meine Mutter verließ uns hier und fuhr mit dem Bus nach Porto, wir verfolgten ihren Bus mit dem Schiff. Da der Schlag 90sm lang war, trafen wir jedoch erst nachts im vorgelagerten Hafen Leixoes ein, als sie nicht nur in der Stadt angekommen oder zum Flughafen gefahren war, auch nicht, als sie mit in Hahn aus dem Flugzeug ausgestiegen war und auch nicht, als sie nach einer weiteren knapp zweistündigen Busfahrt Mainz erreicht hatte, sondern erst, als sie schon längst zu Hause im Bett lag. Da merkten wir mal wieder richtig, wie langsam die Fortbewegung per Segelboot nach modernen Maßstäben eigentlich ist. Aber eben auch ganz wunderbar, so langsam zu reisen und den Fortschritt der Reise von Wind, Wetter und Meer bestimmen zu lassen.

Im Land der Orcas

In Benalmadena kam Inken an Bord und wir stachen noch am selben Tag in See, weiter entlang der Küste in Richtung Südwesten. Am übernächsten Tag erreichten wir Gibraltar, das sich seinem Status als britische Exklave offenbar bewusst war und uns gebührend mit starkem Regen empfing. Vor der Halbinsel mit dem berühmten Affenfelsen herrschte reger Schiffsverkehr, immerhin ist die Straße von Gibraltar eine der am stärksten befahrenen Wasserwege der ganzen Welt. Für uns war der ganz besondere Moment gekommen, aus dem Mittelmeer auf den Atlantischen Ozean hinauszufahren und damit zum ersten Mal seit Beginn unseres Törns das Meer zu wechseln. Zum ersten Mal hatten wir es mit Gezeiten, Gezeitenströmen und langer und potenziell hoher Dünung zu tun, aber die größere Gefahr war ganz anderer Natur: Eine Gruppe randalierender Orcas machte die Straße von Gibraltar und das sie umgebende Seegebiet unsicher und sorgte für Schlagzeilen, da sie nicht nur viele zig Segelyachten durch Rammen und Abbrechen des Ruderblatts manövrierunfähig gemacht, sondern dabei gleich drei Boote versenkt hatte. Das letzte Opfer, eine 15 Meter lange Charteryacht vom Typ Bavaria 51 von „Alboran Charter“, hatten sie erst wenige Wochen vor unserem Eintreffen gefunden und vor der Hafeneinfahrt des Fischerortes Barbate versenkt. Nun ist Alboran Charter nicht die beste Firma und in den sozialen Medien wurde schnell gemutmaßt, dass das Schiff dank mangelhafter Wartung auch ohne das Zutun der Wale ohnehin irgendwann gesunken wäre. Wir waren jedoch gut vorbereitet, hatten Kanäle abonniert, in denen alle Orca-Sichtungen und -interaktionen gepostet wurden und säckeweise Sand geladen, den wir bei Bedarf über Bord geben konnten. Denn sandiges Wasser meiden Orcas wohl, da die Körnchen im Luftloch angeblich einen fiesen Hustenreiz auslösen. Da sie jedoch nichts davon abhält, zurückzukommen, wenn uns der Sand ausgeht, hatten wir als ultima ratio auch noch ein paar Feuerwerkskörper besorgt. Zwar konnte die spanische Verkäuferin im Feuerwerkfachgeschäft keinerlei Englisch, aber meine pantomimische Darstellung eines Böllers war wohl gut genug zu verstehen, sodass ich mit einem preisreduzierten Dreierpack „SUPER TRUENO EXTREMO“ zurück zum Schiff gerollert war. Laut Berichten würde wohl spätestens der laute Knall eines Böllers die Orcas zur Flucht bewegen.

Die beste Verteidigung jedoch war es, eine Begegnung überhaupt zu vermeiden, und das, so waren sich alle einig, gelänge am sichersten, indem man küstennah im Flachwasserbereich führe. Das taten wir auch und passierten die teils bis zu sieben Seemeilen ins Meer hinausragenden Thunfischnetze zwischen Strand und Netzende, mit teilweise nur wenigen Metern Wasser unter dem Kiel. Und tatsächlich, wir sahen keinen einzigen Orca, während wir über Funk die Meldung einer Yacht hörten, die am gleichen Tag zur gleichen Zeit etwas weiter draußen von Orcas angegriffen wurde. Mit perfektem Wetter und ruhiger See erreichten wir nachmittags Barbate, direkt vor der Hafeneinfahrt ragte der Mast der gesunkenen Bavaria wie ein Mahnmal mehrere Meter aus dem Wasser heraus. Am nächsten Tag ging es weiter nordwärts, wir hielten uns abermals dicht unter Land, ließen Cadiz steuerbord liegen und segelten bis in den Rio Guadalquivir. Was wie ein Virustatikum klingt, ist ein Fluss, der durch weitläufige Sumpflandschaften führt und bis ins viele zig Seemeilen im Binnenland liegende Sevilla schiffbar ist. Wir begnügten uns jedoch mit einem geschützten Ankerplatz kurz hinter der Mündung, wo wir übernachteten. Das von Sandbänken, Sümpfen, Büschen und grünen Bäumen gesäumte Ufer wurde vom blutroten Sonnenuntergang in ein ganz besonderes Licht gehüllt und wir hatten die spontane Assoziation, in Afrika zu sein, das wir immerhin noch einen Tag zuvor in Form Marokkos am Horizont gesehen hatten. Mit „Toto“ aus dem Lautsprecher genossen wir unser Abendessen im Cockpit. Die Orcas waren wohl immer noch im bekannten Hotspot um Barbate herum unterwegs und so gestaltete sich unsere Weiterfahrt etwas entspannter. Wir blieben vorsichtshalber küstennah, denn Orcas laufen ja immerhin auch bis zu 30kn und könnten uns somit spielend einholen, aber dafür gab es bislang keinerlei Anhalt und so konnten wir uns langsam in Sicherheit wiegen. Nach einem weiteren Zwischenstopp in Punta Umbria, unserem ersten An- und Ablegemanöver in der Gezeitenströmung, überquerten wir die Grenze zu Portugal und segelten mit wiederholten Regen- und Gewitterschauern bis zur Lagune von Faro.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die östliche Einfahrt misslang, da wir auf eine der häufig ihre Position ändernden Sankbänke aufliefen und dann lieber keinen weiteren Versuch wagen wollten. Nach 5sm Umweg erreichten wir die Haupteinfahrt und bemerkten, dass wir den Gezeiten bei der Törnplanung offenbar noch zu wenig Beachtung geschenkt hatten, denn wir erreichten sie inmitten des Ebbstroms, der wie ein Wildwasserfluss aus der Öffnung zwischen den beiden Molenköpfen herausschoss. Nach 10 Stunden auf See hatten wir jedoch auch keine Lust, drei weitere Stunden draußen herumzudümpeln, bis der Strom kenterte, und so versuchten wir unser Glück. Es standen keinerlei brechende Seen und so wäre das schlimmste Los, von der Strömung wieder hinaus aufs Meer gespült zu werden. Mit Gashebel auf dem Tisch steuerten wir die wie wild in den Stromschnellen rollende Moana durch die Einfahrt. In den Wellentälern standen wir jeweils kurzzeitig auf der Stelle, aber im Zeitlupentempo arbeiteten wir uns bergauf in die Lagune. Sobald das Gewässer sich hinter den Molen verbreiterte, ließ auch der Strom nach und wir schafften es mit langsamer, aber deutlicher Vorwärtsfahrt bis zum Ankerplatz vor der Insel Culatra. Geschafft! Am nächsten Tag setzten wir mit dem Beiboot über und spazierten über die wunderschöne Insel. Es war ein bisschen wie auf Langeoog: autofrei, ausgedehnte Dünenlandschaften mit dem typischen Geruch von Dünengras, ein langer Sandstrand und ein paar Fischer im Hafen. Die Häuser mit ihren bunten Kacheln und mannigfaltigen Blumen erinnerten uns jedoch schnell daran, in Portugal zu sein. Wir hoben den Anker und segelten mit einer Übernachtung im Hafen von Albufeira weiter in die hübsche Stadt Lagos.

 

Unterwegs ankerten wir für einen kurzen Stopp vor der berühmten Höhle von Benagil und besichtigten sie mit dem Beiboot. Beeindruckend war sie sehr: eine riesige Felskuppel mit zwei nur zum Meer offenen Eingangsbögen, hoch oben im Höhendach ein großes Loch, durch das das Sonnenlicht einfiel und der Boden bestand aus feinstem Sand, quasi ein unterirdischer Sandstrand. Dass die Höhle von vielen Touristen besucht wird, wussten wir und waren extra schon in den Morgenstunden angereist, aber wie schlimm es tatsächlich war, hatten wir kaum zu glauben gewagt: Auf der ansonsten spiegelglatten See hatte sich eine durch im 30-Sekunden-Takt an den Klippen vorbeirasenden hochmotorisierten Ausflugsbooten eine nicht aufhörende steile Kreuzsee gebildet, durch die sich hunderte Sit-on-top-Kajaks kämpften, organisiert in 10-20 Mann starken Divisionen, die wiederum von einem motorisierten Boot begleitet wurden. Technobässe hallten durch die Luft und wurden untermalt vom Kreischen blasser (Hinweg) bis krebsroter (Rückweg) britischer Touristinnen, die mit RIBs über die Wellen knallten. Kleinere Ausflugsboote fuhren in die Höhle hinein und erbrachen im Minutentakt Scharen von Touristen über Landerampen auf den Sandstrand. Ein D-Day in klein. Und da wundern wir Menschen uns noch, dass Orcas unsere Boote angreifen. Verständlich waren die Besucherströme aber dennoch, denn der Ort war wahrlich einmalig. Eine Beschränkung der Höhleneinfahrt auf ausschließlich Schwimmer und muskelkraftbetriebene Boote würde dem Ort jedoch durchaus nützen.


Lagos war sehr schön und der Hafen perfekt gelegen: Sandstrand auf der einen Seite, Bahnhof und Busbahnhof nur wenige Gehminuten entfernt und die malerischen und belebten Fußgängerzonen der Altstadt ließen sich von der Marina aus über eine klappbare Fußgängerbrücke aus schnell erreichen. Inken verließ uns leider wieder in Richtung Schweiz und auch Fredi und ich reisten für etwas über eine Woche nach Hause: Fredi zum Geburtstag ihrer Tante, ich zum Arbeiten, denn im Geldbeutel herrschte mal wieder Niedrigwasser.

Spananien

Ein paar Tage gönnten wir uns noch auf Mallorca. Fredi und Claudia wohnten im Hotel an der Ostküste und ich durfte für zwei Nächte dazustoßen. Zu meiner großen Freude waren auch meine Freunde Esther und Gabriel auf der Insel und so tobten Gabriel und ich uns beim Klettern aus, während Fredi und Claudia wanderten. Nach Claudias Abreise zog es Fredi und mich ins Tramuntana-Gebirge, wo wir eine Mehrseillängenroute (eine etwas schwierigere Variante der berühmten Albahida) kletterten. Den nächsten Tag erledigten wir ein paar liegen gebliebene Arbeiten am Schiff und erholten uns außerdem ein bisschen, bevor wir am Folgetag nach Ibiza segelten. Nach einer Nacht vor Anker an der Nordküste steuerten wir den Hafen von Sant Antoni an. Hier wimmelte es von Sauftouristen, Drogenopfern und Parties. Jeden Nachmittag kamen unzählige Ausflugsboote mit rot verbrannten und stark alkoholisierten vorwiegend britischen Touristen von ihren Fahrten zurück und es wir fieberten jeweils mit, ob alle es schaffen würden, über den Steg zurück aufs Festland zu torkeln. Aber es half nichts, die Windvorhersage band uns für zwei Nächte an den Hafen und viele Bootsarbeiten wollten obendrein erledigt werden.

Dafür war uns anschließend ein wahres Paradies vergönnt: Die karibisch anmutende Strandlandschaft Formenteras und der kleinen benachbarten Insel Espalmador. Wir genossen die zwei Tage vor Anker sehr, bevor wir zur dicht besiedelten Spanischen Festlandsküste aufbrachen.

 

 

 

 

 

Nur ein langer Tagesschlag führte uns nach Calpe, wo wir im Hafen direkt neben dem beeindruckenden Felsmassiv „Peñis d’Ifack“ lagen. Eine Kletterroute mit acht Seillängen auf dessen Gipfel ließen wir uns nicht entgehen und es war witzig und sehr ungewohnt, direkt vom Schiff wie ein Weihnachtsbaum behangen mit Halbseilen, Klemmgeräten, Bandmaterial und Karabinern zu starten. Leider lagen zwei Möwennistplätze in unmittelbarer Nähe der Route und einer der Vögel versuchte mich mit dem Absetzen von Stuhlgang auf T-Shirt und Helm (alles voll!) zum schnellen Weiterklettern zu ermutigen. Ich stank wie Sau, aber es half nichts, umziehen konnte ich mich erst abends wieder.

 

Anschließend segelten wir zügig und mit nur wenigen Zwischenstopps weiter Richtung Südwesten. Ein paar hübsche Städtchen wie Cartagena lagen auf unserem Weg, aber viele Orte waren doch eher charakterlos und luden nicht sehr zum Verweilen ein. Das Mar Menor bildete eine Ausnahme: Vom Mittelmeer durch eine Nehrung mit kleinem Zufahrtskanal getrennt, segelte man auf ihm wie auf einem Binnensee: ruhiges, warmes Wasser und bei fast überall nur wenigen Metern Tiefe konnte man einfach überall ankern, während die Lichter der Hochhausburgen an den Ufern weit entfernt wirkten.

Die außerplanmäßige Reparatur unserer Rollgroßanlage und einer Schotwinsch bescherte uns einen zweitägigen Aufenthalt in Almeria, wo es entsprechende Werkstätten gab. Noch bevor die Mechaniker Zeit für uns hatten, schafften wir jedoch alles selbst und waren sehr stolz auf uns. Mit ansonsten nur kurzen Übernachtungsstopps segelten und motorten (wir hatten viel Flaute) wir zügig weiter nach Benalmadena im Speckgürtel von Malaga, wo wir uns eine zweitägige Pause gönnten. Neben einer Besichtigung der malerischen und auf sehr angenehm entspannte Weise belebten Altstadt fuhren wir auch zum Botanischen Garten, dem wohl schönsten, den wir beide je besichtigt hatten.

 

 

 

 

 

 

Und am nächsten Tag machten wir einen Ausflug ins Landesinnere nach „El Chorro“, wo es eine berühmte Schlucht zu besichtigen galt. Der spektakuläre Wanderweg hindurch („Caminito del Rey“) war jedoch zugangsbeschränkt und wir hätten wohl Monate im Voraus buchen müssen. Klettergebiete gab es dort ebenfalls, aber es war einfach viel zu heiß und so legten wir lieber einen Badestopp am benachbarten Stausee ein. Neben dem Pflichtprogramm aus Einkauf und Wäsche waschen erledigten wir weitere Reparaturen am Boot und freuten uns auf Inkens Besuch.

So wird der Dickdarm wieder richtig sauber.

Luca Toni

In San Vito kamen Lukas und Eva an Bord und wir bereiteten uns auf die Überfahrt nach Sardinien vor. Zwei Tage später sollte es ein geeignetes Wetterfenster geben, das wir nutzen wollten. Denn allzu oft weht der Wind dort aus Nordwest bis West und macht ein Segeln auf direktem Kurs damit unmöglich. Also keine Chance verstreichen lassen! Einen weiteren freien Tag in San Vito hatten wir dadurch aber noch und so gingen wir erneut Klettern. Auf dem Weg schloss sich uns ein süßer Welpen an, der ausdauernd gestreichelt werden wollte und uns dann auf dem gesamten weiten Weg zum Felsriegel am Meer über Stock und Stein folgte. Ein Halsband oder irgendeine andere Markierung trug er nicht und so waren wir unsicher, ob er auf der Straße lebte (vermutlich?) oder doch irgendjemandem gehörte. Als wir kletterten, legte er sich auf Fredis Jacke in den Schatten und schlief tief und fest. Wir tauften den kleinen Hund „Luca Toni“ und er wuchs uns schnell ans Herz. Doch die ganze Zeit beschäftigte uns die Frage, was wir wohl machen sollten, wenn er uns jetzt bis zum Schiff hinterherliefe. Eigentlich würden wir ihn sofort mitnehmen, andererseits wäre ein anstehender Segelschlag von 172 Meilen über zwei Tage über die offene See nicht perfekt geeignet, um einen kleinen Hund schonend an das Leben an Bord zu gewöhnen. Und wenn er doch jemandem gehörte, bei dem es ihm gut geht? Insgeheim hoffte ich, dass das Tier auf dem Rückweg im Dorf einfach in seine gewohnte Umgebung zurücklaufen würde und uns die schwere Entscheidung erspart bliebe. Nachdem wir ein paar Routen geklettert waren, traten wir den Rückweg an. Motiviert tapste uns Luca Toni mit seinen kurzen Beinen hinterher und nutzte den Weg, um dies und das zu entdecken und zu lernen. Zum Beispiel, dass nicht zwangsläufig der ganze Hund durch eine Zaunlücke passt, nur weil der Kopf hindurchpasste (wir bugsierten ihn rückwärts wieder hinaus). Vor dem Einkaufsladen im Dorf kam uns dann eine aufgeregte Frau entgegen, die schon den ganzen Tag ihren Hund gesucht hatte und jetzt den Freudentränen nah war, als wir ihr Luca Toni übergaben. Er halte sich einfach nicht an Regeln und ein Halsband lehne er auch ab, sagte sie. Sie schien ihren Hund sehr zu lieben und wir waren froh, ihn guten Gewissens in die Hände seiner Eignerin zurückgeben zu können.

Am nächsten Morgen liefen wir vor Sonnenaufgang aus und setzten Kurs auf Sardinien. Eine Stunde nach dem Start lebte der Südwind frisch auf und blies uns mit hoher Geschwindigkeit bis wenige Stunden vor die sardische Küste, die wir am folgenden Nachmittag erreichten. Nach 34 Stunden auf See und einem Spaziergang über den weiten Sandstrand und der dahinter liegenden Marschlandschaft fielen wir ins Bett. An den nächsten Tagen segelten wir mit kürzeren Schlägen über Villasimius nach Cagliari, wo wir in der Bucht vor der Stadt noch einen Kletterstopp einlegten und auf den letzten Seemeilen ein Gewitter mit Hagel auf die Nase bekamen.

 

In Cagliari ging Eva von Bord und Lukas‘ Freundin Helen stieß zu uns. Die nun vor uns liegende Südküste Sardiniens überraschte uns mit ihrer Schönheit! Sandstrände, türkisblaues Wasser, Felsen und blühende Pflanzen und das alles bei schwachen Winden und strahlendem Sonnenschein ließen ein regelrechtes Südseegefühl in uns aufkommen. In gemütlichem Tempo und mit mehreren Landgängen erreichten wir die Westseite Sardiniens, wo wir im Hafen von Portoscuso festmachten und wo uns Lukas und Helen verließen.

 

 

Nach einem Pausentag kamen Matthias und Andy zum SKS-Ausbilungstörn an Bord. 10 Tage hatten wir eingeplant, um den Prüfungsort Palma de Mallorca zu erreichen und auf dem Weg genügend Zeit zum Trainieren zu haben. Das Wetter sah jedoch denkbar schlecht aus: Starker Mistral über fünf Tage mit in Spitzenzeiten bis zu 5m Wellenhöhe war vorhergesagt, definitiv kein Wetter, um die 200 Seemeilen lange Überfahrt nach Menorca anzutreten, und dann auch noch gegen den Wind. So nutzten wir den ersten, noch schwachwindigen Tag, um nach Torregrande in der Bucht von Oristano zu segeln, wo wir zumindest an einem Teil der folgenden Tage die Chance haben würden, trotz starken Windes in der gut geschützten Bucht mit wenig Welle zu trainieren. Und das taten wir auch: Immer, wenn es ging, fuhren wir hinaus und trainierten die prüfungsrelevanten Manöver. Nach fünf Tagen im Hafen von Torregrande nutzten wir die Chance und stachen in See in Richtung Balearen. Die See war noch sehr hoch, aber der Wind drehte zunehmend so, dass wir hoch am Wind auf einem Bug bis nach Menorca segeln konnten. Wieder einmal etwa 35 Stunden auf See, und dann auch noch auf ungemütlichem Kurs gegen die Welle waren wahrhaftig keine Freudfe, aber wir überlebten es und segelten immerhin schnell über zwei Tage und eine Nacht, bevor in der zweiten Nacht kurz vor Mitternacht der Anker in der Bucht vor Mahon fiel. Nur eine kurze Nacht gönnten wir uns, denn wir mussten weiter nach Mallorca und Manövertraining, vor allem An- und Ablegen, stand auch noch aus. In Porto Cristo an der Ostküste ging Fredi von Bord und würde ein paar Tage mit ihrer Mutter im Hotel auf Mallorca verbringen. Ich war sehr neidisch! Wir trainierten noch ein paar Manöver und mit nachlassendem Wind motorten wir ums Kap herum, um vor San Jordi vor Anker zu gehen. Die kurze Überlegung, uns in das Frühstücksbuffet des nebenan liegenden Sternehotels zu schleichen, verwarfen wir und starteten in Richtung Palma de Mallorca. Gerade einmal der Rest des Nachmittags blieb uns für die Prüfungssimulation, bevor am nächsten Vormittag die Prüfer an Bord kamen. Die Prüfer waren, wie so oft, echt spezielle Typen, aber es klappte alles gut und wir belohnten uns mit einem Abendessen in der überraschend sehenswerten Innenstadt von Palma. Hier gab es keine Spur von Sauftourismus, eher feine Boutiquen und belebte Fußgängerzonen mit vielen Tapasbars in nettem Ambiente. Nach einer zweiten Nacht im königlichen Yachtclub von Palma verließen uns die beiden und Fredi, Claudia und ich verlegten die Yacht ins 20sm entfernte Port d’Anthrax, wo die Liegegebühren deutlich erschwinglicher waren. Zufällig begegnete uns die Segelyacht von Jeff Bezos und musste uns zu unserer großen Freude sogar ausweichen, was sie auch ordnungsgemäß tat!

Vulkane!

Zügig umrundeten wir die Südspitze Kalabriens und mit Blick auf den schneebedeckten Ätna erreichten wir die Straße von Messina. Die Nachtfahrt in die Straße hinein war ein einmaliges Erlebnis: Das Lichtermeer der Großstädte auf beiden Seiten, der Sternenhimmel über uns und die schwach funkelnden Lampen der zahlreichen Fischerboote auf dem Wasser. In Reggio di Calabria übernachteten wir in der schlimmsten, dafür aber auch teuersten Marina unseres bisherigen Törns: Der Hafen lag direkt unterhalb einer mehrstöckigen, in die steile Küste gebauten Galerie, deren Basis ein belebter Bahnhof bildete. Ein Stockwerk höher befand sich die Autobahn. Die Geräuschkulisse wurde von den großen Wellen der in regelmäßigen Abständen ein- und auslaufenden Schnellfähren nach Sizilien abgerundet. Aber immerhin war es nur für eine Nacht und der Alternativhafen im gegenüber liegenden Messina war noch schlechter bewertet. Am nächsten Morgen ging es mit stark auffrischendem Südwind durch die Straße von Messina weiter nordwärts. Mit sieben Knoten Fahrt schlugen wir Haken zwischen den vielen Fähren hindurch, überquerten das Verkehrstrennungsgebiet (eine Art Autobahn für große Schiffe) und segelten ins Tyrrhenische Meer hinein. Auf westlichem Kurs ging es küstenparallel weiter nach Milazzo, wo wir drei Tage blieben, um ein Starkwindsystem abzuwettern. Die Zeit nutzten wir, um mit einem Mietauto Sizilien zu erkunden und Wandern zu gehen. Milazzo selbst war sehr schön auf einer Halbinsel gelegen und hatte eine wunderschöne alte Festung. Ansonsten gab die Stadt nicht sehr viel her, aber ihr kulinarisches Angebot genossen wir in vollen Zügen: hervorragende Pizza, Eis, Croissants, Capuccino und die sizilianische Spezialität „Cannoli“, mit einer Ricottacreme gefüllte Teigröllchen.


Als der Wind abflaute, nahmen wir Kurs auf die Liparischen Inseln. Der fortwährend vor sich hin dampfende Vulkan auf Vulcano war inzwischen leider für die Besteigung gesperrt worden bzw. nur noch als geführte Wanderung möglich. Wahrscheinlich, damit sich ein eventueller Ausbruch mehr lohnt, weil dann immerhin gleich eine ganze Gruppe ums Leben kommt. Doch jetzt in der Nebensaison wurden ohnehin keine geführten Touren angeboten, sodass sich die Frage nicht stellte, ob wir dafür Geld ausgeben wollten. Bei angedrohten und laut Internet wohl auch häufiger mal verhängten Strafen von 500€ nahmen wir von einer illegalen Wanderung lieber Abstand. Vom ebenfalls schönen und legalen Nachbarberg konnte ich immerhin mit meinem Gleitschirm starten, meine erste Fluggelegenheit seit Beginn des gesamten Törns! Doch einen richtigen Vulkan sollten wir durchaus noch zu Gesicht bekommen: In den Sonnenuntergang hinein fuhren wir vor die Insel Stromboli, deren gleichnamiger Vulkan alle paar Minuten eine kleine Portion Feuer spuckt, die größeren Eruptionen begleitet von einem beeindruckenden tiefen Donnern. Wir stellten den Motor ab und trieben völlig allein in tiefschwarzer Nacht auf dem Meer, das durch Leuchtalgen und Leuchtquallen blau schimmerte, während zwei Delfine unser Schiff umschwammen. Es war ein gleichermaßen majestätisches wie gespenstisches Erlebnis! Wir mussten an „den Schwarm“ denken…

 

Vor Panarea fiel der Anker und am nächsten Tag wanderten wir auf den zur Westseite steil abfallenden höchsten (und einzigen) Berg der Insel, ebenfalls einen, wenn auch inaktiven, Vulkan.

 


Weiter ging es unter Segeln nach Cefalu auf der Nordseite Siziliens, einem malerischen Städtchen am Fuße eines gewaltigen Felsens. Hier durften wir einen Tag länger bleiben als geplant, denn am nächsten Morgen sprang unser Motor einfach nicht an. Beim Drehen des Zündschlüssels passierte einfach überhaupt nichts. Wir überprüften alles, was wir konnten, aber es war kein Fehler zu finden: Die Batterie war ausreichend geladen und alle Kabelverbindungen intakt, aber der Anlasser bekam keinen Strom. Fredi fragte in der Bar bei den Fischern nach, während die Bardame übersetzte und in Erfahrung brachte, dass es hier wohl „Mecanico Cosimo“ gab, der um 15 Uhr im Hafen sei. Wie die meisten hier sprach auch er kein Wort Englisch, aber das Problem war schnell vorgeführt und so machte er sich an die Arbeit. Durch meine Sprachbarriere war es mir leider nicht möglich, zu erklären, was wir alles schon versucht hatten und so machte er sich ans Durchmessen der Batterien, schaltete den Batteriehauptschalter mehrmals aus und wieder an, während ich immer wieder versuchen sollte, den Motor zu starten. „Accende“ heißt offenbar „Starten“ und „stacca“ „stoppen“, so viel hatte ich schnell gelernt. Ein weiteres Wort verstand ich nicht, aber er erklärte es kurzerhand durch das entsprechende Geräusch: „Wrrrrruuuum, wrrrruuuum!“, also „Gas geben“. Nichts half und so stand Cosimo letztendlich vor unserem auf Deutsch beschrifteten elektrischen Schaltpanel, wo er vermutete, dass unser Wassertankstandanzeigenumschalter (schaltet die Füllstandanzeige von Tank 1 zu Tank 2 um) der Umschalter von Start- und Verbraucherbatterie wäre. Nein, „agua“, sagte ich, „blubb, blubb, blubb“. Trotzdem betätigte er den Umschalter ein paar Male und siehe da, der Motor ließ sich problemlos starten! Und das reproduzierbar. Wir hatten keine Ahnung, warum, und wussten auch nicht, ob Cosimo irgendeine Ahnung hatte, warum. Aber da inzwischen 6 Wochen ins Land gezogen sind, kann ich behaupten, dass er den Motor erfolgreich „repariert“ hat. Immerhin war es günstig und schnell.

Mit einem Zwischenstopp segelten wir in das uns schon von zwei Landurlauben bekannte San Vito lo Capo, wo wir ein paar Tage Pause und Zeit zum Klettern und ich für einen weiteren Gleitschirmflug hatten, bevor wieder eine Crew an Bord kam.

Im Ionischen Meer

Nach der Schiffseinweisung für unsere beiden Gäste legten wir ab und starteten erst unter Motor, später unter Segeln, dann wieder unter Motor nach Zakinthos. Schon in der Hafeneinfahrt wummerten uns laute Bässe entgegen und als beim Anlegen mehrere Einhörner, Super Marios und ähnliches Viehzeug über die Pier spazierte, war uns schnell klar, dass heute Karneval war. Auf dem Stadtplatz hatten sich bei bestem Wetter jede Menge Jecken versammelt, ein Kinderbalett gab sein bestes und die Straßen waren von Konfetti und Luftschlangen übersäht. Und das mitten in Griechenland!

Abends stieß Philip zu uns und so starteten wir am nächsten Morgen zu fünft nordwärts. Mit einer wilden Mischung aus Flaute und stärkerem Wind statteten wir erst den „blue caves“ an der Nordspitze Zakinthos‘ einen Besuch ab und segelten dann weiter über Ithaka nach Atokos, wo wir in der unter beeindruckenden Felswänden gelegenen „One House Bay“ ankerten. In der gesamten Woche hatten wir zwar viel Flaute, aber unglaubliches Glück mit dem Wetter: Sonne und über 20°C boten uns einen Vorgeschmack auf den mediterranen Frühling. Wir wanderten auf Kalamos und kletterten im Sportklettergebiet von Mytikas, bevor wir auf der Fahrt nach Lefkas eine unserer spektakulärsten Delfinsichtungen aller Zeiten hatten. Die Meeressäuger sprangen aus dem Wasser und schwammen aktiv um unseren Bug herum. Teilweise drehten sie sich auf die Seite und blickten genauso neugierig zu uns hinauf wie wir zu ihnen hinunter.

 

Auf Lefkas verließ uns unsere Crew leider wieder und wir arbeiteten mal wieder viel am Boot: Fredi kümmerte sich unter anderem um neue Wandverkleidungen in der Kombüse und wir bauten einen neuen Autopiloten ein, der dann, fast überraschenderweise, auch tatsächlich funktionierte! An dieser Stelle vielen herzlichen Dank an meine Mutti für den Zuschuss!


Über Preveza und Paxos segelten wir nordwärts nach Sivota und waren damit nur noch wenige Seemeilen entfernt von unserem damaligen Startpunkt Plataria. Hier wetterten wir ein paar Gewitter ab und setzten unsere Fahrt nach Korfu fort. Der Liegeplatz direkt unterhalb der alten Festung hatte einen ganz besonderen Charme, auch wenn er kaum Schutz vor Wind und Welle bot und die Nacht entsprechend unruhig war. Früh am Morgen kam Balthasar an Bord und begleitete uns für vier Tage, an denen wir es bis Italien schaffen wollten. Zuerst ging es durch die Meerenge zwischen Korfu und Albanien nach Erikoussa. Die kleine Insel bot eine tolle Mischung aus Sandstränden, Steilküste und dicht bewaldeten Hügeln mit blühender Vegetation im Inselinneren und ließ sich in etwas über einer Stunde wandernd umrunden. Wir waren die einzigen Fremden auf dem gesamten Inselchen und hatten das Gefühl, wirklich auf dem letzten Außenposten der griechischen Zivilisation angekommen zu sein. Nach einem kleinen Hüpfer zur Nachbarinsel Othonoi legten wir dort eine abendliche Verschnaufpause ein, bevor wir uns auf die längere Überfahrt nach Italien machten. Hier hatten die Wellen eines Südsturms eine Bavaria auf die Mole geschmettert, die unserem Schiff erschreckend ähnlich sah. Große Teile waren bereits zerstört, aber wir konnten einen Ersatz-Schranktürbefestigungspinökel erbeuten, der fortan auf unserem Schiff weiterleben durfte. Nach Einbruch der Dunkelheit legten wir ab und starteten mit aufgehendem Vollmond in Richtung Italien. Der Wind ließ uns schnell segeln, aber an Schlaf war nicht zu denken. In den frühen Morgenstunden passierten wir das Kap von Leuca und setzten die Fahrt durch den Golf von Tarrent fort. Der Wind flaute zusehends ab und den Rest der Fahrt mussten wir die Maschine zu Hilfe nehmen. Spät nachmittags liefen wir in Ciro Marina ein, einem armen Städtchen weitab vom Tourismus. Schön war es dort mit Verlaub nicht, aber der behelfsmäßige Liegeplatz am Kransteg im Fischereihafen war gratis und wir freuten uns über die erste echte italienische Pizza, bevor wir müde in die Kojen fielen. Am nächsten Tag kreuzten wir uns nach Crotone auf, dem Hauptstädtchen der gleichnamigen Provinz und der angeblich mafiösesten Stadt Italiens. Hier wurden wir herzlich empfangen und der charmante Hafenmitarbeiter schenkte uns zur Begrüßung nicht nur eine Flasche Wein, sondern brachte uns am nächsten Morgen sogar gefüllte Criossants vorbei. Abends stieg der Mafiaboss persönlich (zumindest sah er so aus) langsam aus seinem Wagen aus und schüttelte uns zur Begrüßung mit extravaganter Kleidung, gegeltem Haar und dunkler Sonnenbrille die Hand. Als er erfuhr, woher wir stammten, hisste er vor dem Bürogebäude eine große Deutschlandflagge. Wir bedankten uns höflich, aber fragten uns gleichzeitig, wie viele Leute mit Betonklotz an den Füßen sich wohl unter unserem Kiel im Hafenbecken befanden. Auch Crotone war arm und eher wenig sehenswert, aber wir freuten uns sehr über den ersten italienischen Supermarkt, dessen Auswahl und Qualität die griechischen Läden des letzten halben Jahres weit übertraf. Eis essen, Diesel tanken und Wäsche waschen gehörten ebenfalls zum Pflichtprogramm, bevor wir unsere Fahrt in Richtung Sizilien fortsetzten.

Winter in Griechenland

Ende Januar kehrten wir nach Leros zurück und bewunderten unser überholtes und jetzt tipp-topp aussehendes Unterwasserschiff. Völlig überraschend für die Werft wurde der Kran genau zu unserem geplanten Kran-Termin gewartet und so erhielten wir unfreiwillig ein paar zusätzliche Tage an Land. Die nutzten wir, um eines unserer größten Probleme an Bord in den Griff zu kriegen, nämlich das laute Knarzen der Wand zu unserer Achterkajüte bei jeder kleinsten Bewegung des Schiffs. Klingt erst einmal wenig dramatisch, aber das repetitive staccatoartige nahezu Knallen des Holzes hatte uns schon viele Nächte den Schlaf gekostet und war, für viele wahrscheinlich unvorstellbar, einer der Hauptgründe, unsere Reise eventuell vorzeitig abzubrechen und das Boot zu verkaufen. Da es jedoch gleichzeitig ein unglaublich blöder Grund war, beschlossen wir, alle Stellen, an denen Holz auf Holz rieb, großzügig aufzusägen und mit nicht-knarzfähigen Materialen aufzufüllen. Notfalls, so hatten wir uns geeinigt, würden wir die gesamte Wand zersägen und damit eine großzügige Wohn-Schlafzimmer-Kombination erschaffen, wenn uns das Boot dann nur schlafen ließe. Und so begannen wir die von Fredi so genannte „Entknarzifizierung“ und ich sägte, was das Zeug hielt. Nur kurze Zeit später klaffte ein Spalt zwischen Boden und Wand und, siehe da, das Knarzen war weg! Nicht komplett zwar, aber das laut knallende immerhin. Da hatten wir ein halbes Jahr lang schlecht geschlafen, viele schöne Buchten wegen unruhigen Wassers vermieden, uns zu zweit in die Bugkajüte gezwängt oder in mühevoller Arbeit mit dem Beiboot den Zweitanker ausgebracht und morgens wieder eingeholt, damit das Schiff mit der Längsachse zu den Wellen lag, um jetzt festzustellen, dass eine halbe Stunde sägen das Problem gelöst hätte. Nun ja. Wir füllten den Spalt mit Butyl aus und freuten uns auf ganz neue Möglichkeiten.


Nach der Wasserung segelten wir entlang der Insel zur Marina Lakki, wo wir gut geschützt festmachten, um den für die kommenden Tage angesagten Sturm abzuwettern. Zufällig lagen Adrian und Denise zwei Plätze neben uns, die beiden hatten wir im Vorjahr auf Kos kennengelernt und freuten uns sehr über das Wiedersehen mit Leuten in unserem Alter. Denn soziale Kontakte hatten wir, von unseren Mitsegelnden abgesehen, auf dem Törn wenig, sind die meisten anderen Yachteigner doch oft im Rentenalter und darüber. Wir nutzten die Zeit in Lakki für Arbeiten am Boot und ein paar Spaziergänge, aber draußen war es mit Sturm und nur 6-10°C bitterkalt, auch wenn die Sonne schien. Vom Berg aus beobachteten wir das Meer außerhalb der schützenden Bucht von Lakki, es war komplett weiß und die Luft darüber mit Gischt gesättigt. Kein Schiff war zu sehen, auch der Fährverkehr war für die Tage eingestellt worden. Drei Tage später nahm der Wind auf 5-6 Beaufort ab und wir beschlossen, in See zu stechen. Unsere erste Etappe führte uns nach Levitha, im Winter schien die ohnehin nur von einer Familie bewohnte Insel komplett verlassen zu sein und so teilten wir uns die Insel beim nachmittäglichen Spaziergang nur mit ein paar Ziegen. Für die nächsten zwei Tage drehte der Wind auf Nordost und wehte konstant mit 5-6 Beaufort weiter, für uns die perfekte Windrichtung! Das nutzten wir und segelten zügig mit Skiunterwäsche, zwei Pullis, Jacke, Ölzeug, Stiefeln, Thermoskanne, Handwärmern, Wärmflasche, Mütze, Kapuze und Handschuhen jeweils 11-12h westwärts. Am ersten Tag ging es vorbei an Kinaros und Amorgos nach Ios, wo wir schon im Dunklen im leeren Stadthafen festmachten und dem Duft des direkt hinter uns liegenden Fast Food-Restaurants widerstanden, um aus Vernunft Nudeln mit verwelktem Brokkoli zu essen. Ein zweifelhaftes Vergnügen. Immerhin gab es Landstrom und wir konnten den Salon mittels Heizlüfter auf Wohlfühltemperatur bringen. Am nächsten frühen Morgen ging es weiter an Sikinos vorbei zur Bucht Vathi auf Folegandros, wo wir für eine kurze Mittagessens- und Aufwärmpause den Anker warfen, um anschließend weiter an Polyaigos und Kimolos vorbei nach Milos zu segeln. Wo keine schützenden Inseln im Weg waren, erreichten die Wellen etwa 2m Höhe, aber kamen schön geordnet aus einer Richtung, sodass das Segeln recht angenehm und mit dem starken Wind auch wunderbar schnell war. Dazu schien durchgehend die Sonne und die Luft war kristallklar! An Milos‘ Nordküste wartete der „Endgegner“ auf uns, es wurde schon dunkel und der Wind frischte abermals auf, zusätzlich wurden die Wellen an der Steilküste reflektiert und generierten eine hohe und unangenehme Kreuzsee. Mit nur einem kleinen Genuazipfel biss Moana sich mit konstant über 7 Knoten Fahrt durch die unruhige See, bis wir endlich in die geschützte Bucht von Milos einliefen. Im Hafen wehte immer noch ein starker Wind und drückte uns die ganze Nacht über an den Steg, wodurch wir leider einen altersschwachen Fender verloren.

Am nächsten Tag gönnten wir uns eine Pause, denn der Wind sollte konstant mit über 30kn (knapp 60km/h) wehen und als nächstes stand die offene Passage zur Peloponnes an. Vor zwölf bis vierzehn Stunden Fahrt mit hoher Welle von der Seite und eiskaltem Nordwind schreckten wir zurück, zumal wir das berüchtigte Kap Maleas umrunden mussten, und verschoben die Überfahrt auf den Folgetag. So erkundeten wir die Insel ein bisschen, tankten, wuschen Wäsche und erholten uns. Mit abflauendem Wind beruhigte sich die See erstaunlich schnell und nach ein paar Segelstunden mussten wir für den Rest der Überfahrt leider die Maschine nutzen. Spät abends erreichten wir die Ankerbucht von Elafonisos. Den wohl traumhaften Karibikstrand wollten wir am nächsten Morgen erkunden, doch bereits in der Nacht erreichte der Wind wieder weit über der Vorhersage liegende Stärken, sodass an Schlafen nicht mehr zu denken war. Immerhin, die Richtung stimmte und so starteten wir quasi vor dem Aufstehen in die nächste Segeletappe zum mittleren Peloponneskap und, da es so gut lief, gleich weiter zum dritten. Wieder einmal erst in der Dunkelheit ankerten wir in der geschützten Bucht vor Methoni, hier war es wunderbar ruhig. Wir schliefen aus und waren stolz, die gesamte Überfahrt vom Dodekanes bis zum Beginn des Ionischen Meeres in nur fünf Segeltagen geschafft zu haben. Am nächsten Tag begrüßten uns Sonne und Flaute und wir spazierten am Strand und aßen Eis. Der Ort war sehr schön und zum ersten Mal seit unserem Start hatten wir das Gefühl, nicht mehr im Skiurlaub, sondern wieder im Mittelmeerraum zu sein. Den nachmittags aufkommenden leichten Wind nutzten wir für einen kurzen, gemütlichen Segelschlag in die Navarinou-Bucht bei Pylos, die uns mit ihrem endlosen Sandstrand und den umgebenden Bergen schon auf dem Hinweg super gefallen hatte und ankerten vor dem Dorf Gialova. Nach einem Pausentag mit SUP-Tour und behelfsmäßiger Reparatur der defekten Ankerwinschfernbedienung tuckerten wir durch die Flaute nordwärts nach Katakolon, wo wir tankten und das antike Olympia besuchten. Es war wunderschön, nach der langen Zeit auf dem Meer mal wieder durch Wälder, über bunt blühende Wiesen und entlang eines rauschenden Bachs zu laufen. Vögel sangen, die Wintersonne wärmte und all das machte den Besuch der antiken Sportstätten zu etwas ganz besonderem für uns.

Vulkane und Reparaturen

Und wieder durften wir eine Woche in Gesellschaft reisen! Fredis Eltern, ihre Schwester Bici und meine Mutter kamen auf Kos an Bord, um als Dankeschön für die viele Hilfe jetzt auch einfach mal Segeln zu dürfen. Wir starteten nach Süden und rasten mit tollem Segelwind zügig zur Vulkaninsel Nisyros. Die Insel war auch für uns Premiere und wir erkundeten sie mit einem für wenig Geld gemieteten Kleinbus. Das Highlight waren mehrere aktive Krater in einer schwefligen Tiefebene, der größte von ihnen war sogar begehbar. Durch klebrigen vulkanischen Schlamm konnte man bis zu einer Absperrung laufen und viel weiter wollte man auch gar nicht, denn dahinter blubberte der Schlamm dampfend wie ein großer Hexenkessel. Der Gestank war bestialisch, aber eben mal etwas anderes und eine willkommene Abwechslung zur langweilig sauberen Seeluft.

 

 

 

 

 

 

Auf Spaziergängen durch die beiden am Kraterrand gelegenen Dörfer Emporios und Nikia begegneten wir unter anderem einer natürlichen Sauna, in der man sich im heißen Dampf aufwärmen konnte. Die Landschaft wich deutlich von der der übrigen Dodekanesinseln ab und erinnerte stark an die Kanaren mit vulkanischem Gestein und schwarzen Stränden. Das Hauptstädtchen Mandraki war für seine Größe sehr belebt und wartete mit einem abwechslungsreichen Labyrinth aus kleinen Gassen auf. Ein weiteres Highlight war die mutmaßlich süßeste Hafenkatze der Welt, die sich immer wieder zum Kuscheln an uns Crewmitglieder anschmiegte, mehrmals unser Schiff enterte und sich nur unter Protest wieder entfernen ließ.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Teils unter Segel, aber bei Flaute leider größtenteils unter Motor legten wir die Strecke nach Symi zurück, wo unser erstes Ziel die krankhaft klingende, aber fast abgeschlossene und dadurch hervorragend geschützte Klosterbucht „Panormitis“ war. Hier hatten wir fast das Gefühl, in einem Binnensee zu ankern und nutzten den regnerischen halben Tag für einen Reparaturversuch des Backofens. Auch ein Spaziergang zum Kloster und zur Geschützstellung an der Buchteinfahrt (würde der Türke bald angreifen?) durften nicht fehlen. Auf dem Rückweg stiegen wir alls wieder ins Beiboot, doch beim Einsteigen der sechsten Person schabte das Boot an einem spitzen Stein entlang und mit lautem Zischen entwich die Luft. „Alle wieder raus!“, riefen Fredi und ich, und so geschah es. Wie eine traurige vertrocknete Pflaume lag das an Land gezogene Boot nun da. Immerhin verfügte das Kloster über eine kleine Pier, deren Wassertiefe auch für unser Mutterschiff ausreichend war, und so schwammen Fredi und ich in Unterwäsche zurück aufs Schiff und legten bereits im Halbdunklen dort an.

Am nächsten Tag fuhren wir östlich um Symi herum weiter in den gleichnamigen Hauptort der Insel, der mit bunten Häusern außergewöhnlich schön war. Und von dort ging es mit einem Übernachtungsstopp auf Nisyros (ja, wir wollten die Katze wiedersehen) zurück nach Kos, wo unsere Familien wieder von Bord gingen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier saßen wir ein paar Tage schlechten Wetters im Hafen aus und organisierten uns eine Werft, die Moana für ein paar Wochen an Land heben, dort das Ruderblatt reparieren und bei der Gelegenheit gleich die zig Schichten abblätternden alten Antifoulings sandstrahlen und erneuern würde. Wir wurden auf Leros fündig und so segelten wir nach Wetterbesserung erst für ein paar Tage zum Klettern nach Kalymnos und anschließend weiter nach Leros. Hier wurde Moana an Land gekrant und stand nun direkt neben dem Flughafen. Aus dem Cockpit konnten wir den Fluggästen der wenigen von dort startenden Propellermaschinen beim Einsteigen zusehen, während das Unterwasserschiff in eine große Hülle eingepackt wurde und die Arbeiten begannen. Noch mehr Arbeiten kosteten natürlich auch noch mehr Geld und das musste irgendwoher kommen. Da die Adventszeit ja auch in Deutschland schön ist, beschlossen wir, den Törn zu unterbrechen und für ein paar Wochen nach Deutschland zu reisen, wo ich ein bisschen Geld verdienen würde. Aber erstmal ging es noch mal für ein paar Tage zum Kletterurlaub nach Kalymnos. 🙂

Wir wünschen euch allen eine schöne Weihnachtszeit und einen guten Start ins neue Jahr!

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