In San Vito kamen Lukas und Eva an Bord und wir bereiteten uns auf die Überfahrt nach Sardinien vor. Zwei Tage später sollte es ein geeignetes Wetterfenster geben, das wir nutzen wollten. Denn allzu oft weht der Wind dort aus Nordwest bis West und macht ein Segeln auf direktem Kurs damit unmöglich. Also keine Chance verstreichen lassen! Einen weiteren freien Tag in San Vito hatten wir dadurch aber noch und so gingen wir erneut Klettern. Auf dem Weg schloss sich uns ein süßer Welpen an, der ausdauernd gestreichelt werden wollte und uns dann auf dem gesamten weiten Weg zum Felsriegel am Meer über Stock und Stein folgte. Ein Halsband oder irgendeine andere Markierung trug er nicht und so waren wir unsicher, ob er auf der Straße lebte (vermutlich?) oder doch irgendjemandem gehörte. Als wir kletterten, legte er sich auf Fredis Jacke in den Schatten und schlief tief und fest. Wir tauften den kleinen Hund “Luca Toni” und er wuchs uns schnell ans Herz. Doch die ganze Zeit beschäftigte uns die Frage, was wir wohl machen sollten, wenn er uns jetzt bis zum Schiff hinterherliefe. Eigentlich würden wir ihn sofort mitnehmen, andererseits wäre ein anstehender Segelschlag von 172 Meilen über zwei Tage über die offene See nicht perfekt geeignet, um einen kleinen Hund schonend an das Leben an Bord zu gewöhnen. Und wenn er doch jemandem gehörte, bei dem es ihm gut geht? Insgeheim hoffte ich, dass das Tier auf dem Rückweg im Dorf einfach in seine gewohnte Umgebung zurücklaufen würde und uns die schwere Entscheidung erspart bliebe. Nachdem wir ein paar Routen geklettert waren, traten wir den Rückweg an. Motiviert tapste uns Luca Toni mit seinen kurzen Beinen hinterher und nutzte den Weg, um dies und das zu entdecken und zu lernen. Zum Beispiel, dass nicht zwangsläufig der ganze Hund durch eine Zaunlücke passt, nur weil der Kopf hindurchpasste (wir bugsierten ihn rückwärts wieder hinaus). Vor dem Einkaufsladen im Dorf kam uns dann eine aufgeregte Frau entgegen, die schon den ganzen Tag ihren Hund gesucht hatte und jetzt den Freudentränen nah war, als wir ihr Luca Toni übergaben. Er halte sich einfach nicht an Regeln und ein Halsband lehne er auch ab, sagte sie. Sie schien ihren Hund sehr zu lieben und wir waren froh, ihn guten Gewissens in die Hände seiner Eignerin zurückgeben zu können.

Am nächsten Morgen liefen wir vor Sonnenaufgang aus und setzten Kurs auf Sardinien. Eine Stunde nach dem Start lebte der Südwind frisch auf und blies uns mit hoher Geschwindigkeit bis wenige Stunden vor die sardische Küste, die wir am folgenden Nachmittag erreichten. Nach 34 Stunden auf See und einem Spaziergang über den weiten Sandstrand und der dahinter liegenden Marschlandschaft fielen wir ins Bett. An den nächsten Tagen segelten wir mit kürzeren Schlägen über Villasimius nach Cagliari, wo wir in der Bucht vor der Stadt noch einen Kletterstopp einlegten und auf den letzten Seemeilen ein Gewitter mit Hagel auf die Nase bekamen.

 

In Cagliari ging Eva von Bord und Lukas’ Freundin Helen stieß zu uns. Die nun vor uns liegende Südküste Sardiniens überraschte uns mit ihrer Schönheit! Sandstrände, türkisblaues Wasser, Felsen und blühende Pflanzen und das alles bei schwachen Winden und strahlendem Sonnenschein ließen ein regelrechtes Südseegefühl in uns aufkommen. In gemütlichem Tempo und mit mehreren Landgängen erreichten wir die Westseite Sardiniens, wo wir im Hafen von Portoscuso festmachten und wo uns Lukas und Helen verließen.

 

 

Nach einem Pausentag kamen Matthias und Andy zum SKS-Ausbilungstörn an Bord. 10 Tage hatten wir eingeplant, um den Prüfungsort Palma de Mallorca zu erreichen und auf dem Weg genügend Zeit zum Trainieren zu haben. Das Wetter sah jedoch denkbar schlecht aus: Starker Mistral über fünf Tage mit in Spitzenzeiten bis zu 5m Wellenhöhe war vorhergesagt, definitiv kein Wetter, um die 200 Seemeilen lange Überfahrt nach Menorca anzutreten, und dann auch noch gegen den Wind. So nutzten wir den ersten, noch schwachwindigen Tag, um nach Torregrande in der Bucht von Oristano zu segeln, wo wir zumindest an einem Teil der folgenden Tage die Chance haben würden, trotz starken Windes in der gut geschützten Bucht mit wenig Welle zu trainieren. Und das taten wir auch: Immer, wenn es ging, fuhren wir hinaus und trainierten die prüfungsrelevanten Manöver. Nach fünf Tagen im Hafen von Torregrande nutzten wir die Chance und stachen in See in Richtung Balearen. Die See war noch sehr hoch, aber der Wind drehte zunehmend so, dass wir hoch am Wind auf einem Bug bis nach Menorca segeln konnten. Wieder einmal etwa 35 Stunden auf See, und dann auch noch auf ungemütlichem Kurs gegen die Welle waren wahrhaftig keine Freudfe, aber wir überlebten es und segelten immerhin schnell über zwei Tage und eine Nacht, bevor in der zweiten Nacht kurz vor Mitternacht der Anker in der Bucht vor Mahon fiel. Nur eine kurze Nacht gönnten wir uns, denn wir mussten weiter nach Mallorca und Manövertraining, vor allem An- und Ablegen, stand auch noch aus. In Porto Cristo an der Ostküste ging Fredi von Bord und würde ein paar Tage mit ihrer Mutter im Hotel auf Mallorca verbringen. Ich war sehr neidisch! Wir trainierten noch ein paar Manöver und mit nachlassendem Wind motorten wir ums Kap herum, um vor San Jordi vor Anker zu gehen. Die kurze Überlegung, uns in das Frühstücksbuffet des nebenan liegenden Sternehotels zu schleichen, verwarfen wir und starteten in Richtung Palma de Mallorca. Gerade einmal der Rest des Nachmittags blieb uns für die Prüfungssimulation, bevor am nächsten Vormittag die Prüfer an Bord kamen. Die Prüfer waren, wie so oft, echt spezielle Typen, aber es klappte alles gut und wir belohnten uns mit einem Abendessen in der überraschend sehenswerten Innenstadt von Palma. Hier gab es keine Spur von Sauftourismus, eher feine Boutiquen und belebte Fußgängerzonen mit vielen Tapasbars in nettem Ambiente. Nach einer zweiten Nacht im königlichen Yachtclub von Palma verließen uns die beiden und Fredi, Claudia und ich verlegten die Yacht ins 20sm entfernte Port d’Anthrax, wo die Liegegebühren deutlich erschwinglicher waren. Zufällig begegnete uns die Segelyacht von Jeff Bezos und musste uns zu unserer großen Freude sogar ausweichen, was sie auch ordnungsgemäß tat!