Der Meltemi schlug wieder mit voller Härte zu. Gegen richtig miese Bedingungen, viel Wind und Welle genau von vorn und mal wieder viel zu unruhige Nächte kämpften wir uns nach Samos hinauf. Auf Agathonisi saßen wir zwei Tage fest, nachdem wir beim Versuch der Weiterfahrt kapitulieren mussten. Gegen Starkwind und die hohe steile See schlug unser Bug jeweils so hart auf die Wellen, dass das Boot bis zum Stillstand abgebremst wurde. Nachdem wir in knapp zwei Stunden nicht einmal drei Seemeilen an Höhe gewonnen hatten, wendeten wir das Boot entkräftet und schossen in kurzer Zeit in den schützenden Hafen zurück. Nachdem wir es nach Besserung der Bedingungen endlich bis Samos geschafft hatten, war ich regelrecht neidisch, als Fredi ins Flugzeug steigen und für eine Woche “Landurlaub” zu ihrer Familie fliegen durfte. Warum wir überhaupt nach Samos gesegelt waren? Weil hier Philip und Ellen mit ihren drei Kindern zusteigen und eine Woche mit mir segeln würden, worauf ich mich auch schon sehr freute. Auch wenn ich zu dem Zeitpunkt auch erst einmal ein paar Tage Urlaub vom Urlaub hätte gebrauchen können.

 

Immerhin hatte der Wind nicht gedreht und so schob uns der Meltemi mit schneller Fahrt südwärts. Nach wenigen Stunden erreichten wir unseren ersten Zwischenstopp, den mir bereits wohlbekanntem Hafen von Agathonisi. Hier blieben wir den kompletten nächsten Tag, denn der Meltemi frischte auf 7-8 Bft auf. Keine Bedingungen, denen sich der durchschnittliche Fahrtensegler gern aussetzt, geschweige denn mit drei Kindern an Bord. Aber Agathonisi war immerhin ein süßes Inselchen mit einer Badebucht gleich neben dem Hafenort, Katzen und Hunden überall und die Kinder schafften es, die große im Prinzip ungenutzte Betonfläche des Hafens als großen Spielplatz zu nutzen. Es wurde gerannt und geklettert, was das Zeug hält.

 

 

 

 

 

Nachdem der Wind am kommenden Morgen etwas abgeflaut hatte, verließen wir den schützenden Hafen und setzten Kurs auf Arki. Wind und Welle waren immer noch ordentlich und so kamen wir zügig voran. Jakob hatte ein hervorragendes intuitives Verständnis für die Physik des Segelns und erlernte schnell das Steuern. Nachdem er nach einiger Zeit das Boot wie ein Autopilot auf konstantem Kurs zu halten schaffte, übte er sich darin, den Bug genau so in die Wellen zu steuern, dass möglichst viel Wasser über Deck spritzte und die Crew durchnässte. Auch Jona und Henri übten sich gelegentlich als Steuermann, hatten aber den entscheidenden biologischen Nachteil, auf Grund ihrer Größe nicht über die Bootsaufbauten hinweg nach vorn schauen zu können. Auch die Kraft reichte manchmal noch nicht aus, schließlich konnten die beiden mit maximal gestreckten Armen geradeso das Rad umfassen. Bei ruhigen Bedingungen machten sie das aber auch schon sehr gut und wenn sie immer brav ihren Spinat essen und das nächste Mal dabei sind, werden sie bestimmt auch steuern wie die Weltmeister.

Arki erlebten wir als traumhaftes verschlafenes Nest. Die Pier bot Raum für ein paar wenige Segelyachten und war gleichzeitig der Mittelpunkt des Dorfs. Von blühenden Bäumen und Blumen gesäumt lagen ein Café und eine Taverne direkt den Booten, dahinter folgten nur ein paar wenige Häuser und kurioserweise ein altes Wiener Feuerwehrauto (wie und warum auch immer es auf das winzige Eiland gekommen war), noch weiter den Hügel hinauf gab es nur noch Ziegen und oben auf dem Hügel eine Kapelle, zu der wir spazierten und von der aus wir eine tolle Aussicht hatten, zurück nach Samos und Agathonisi, hinüber in die Türkei und auf der anderen Seite zu unseren nächsten Zielen Patmos und Lipsi. Am Horizont ließen sich sogar Fournoi, Leros und Kalymnos ausmachen.


Mit der netten jüngeren Crew der neben uns liegenden Yacht kamen wir schnell ins Gespräch und lustigerweise war unter anderem ein Berliner Feuerwehrmann an Bord, der natürlich sofort ein Fotos unseres Berliner Feuerwehr-Rettungsrings machte. Den Rest des Tages nutzten wir zum Baden, SUPen und für einen Besuch des kleinen Cafés. Bei Wärme und strahlendem Sonnenschein kam es uns schon seltsam vor, dass es kein Eis mehr gab, da die Saison jetzt vorbei sei.

Weiter ging es nach Patmos! Die nette Hafenmeisterin empfing uns mit dem Fahrrad und fragte, wie lange wir bleiben würden. Etwa zwei Stunden, sagten wir (das ist dann meist gratis). Eigentlich müsse man bereits ab einer Stunde bezahlen, sagte sie, aber da ihre Pause jetzt schon begonnen hätte und sie erst um vier zurückkommen würde, gäbe es leider niemanden, der Geld einsammeln könnte und so wäre es dann wohl doch gratis. Wir freuten uns und wanderten hinauf in die Chora, nach der Halbinsel Athos das zweitwichtigste religiöse Zentrum Griechenlands. Wir waren zwar eher für die Aussicht und die niedlichen Gässchen des Ortes dort, wurden aber zwangsläufig auch mit Religion konfrontiert, denn zahlreiche Stände verkauften Heiligenbilder, gefälschte Mariengebeine und alles mögliche andere religiöse Zubehör. Und spätestens bei folgenden Figuren wurde klar, dass die Griechisch-Orthodoxe Kirche unserer Katholischen Kirche in nichts nachsteht:

Unser nachmittäglicher Segelschlag führte uns zu einer großen Ankerbucht auf der Südseite der Nachbarinsel Lipsi, denn zum ersten Mal in dieser Woche waren die Bedingungen ruhig genug, um frei ankern zu können und trotzdem eine Chance auf Schlaf zu haben. In der Abenddämmerung drehten die Kinder noch ein paar Runden mit dem Beiboot und als es dunkel war, gab es neben einem famosen Sternenhimmel sogar Leuchtalgen zu sehen. Am nächsten Morgen fuhren wir nur eine Seemeile weiter zu einer unbewohnten vorgelagerten Felsinsel und Henri und Jona hatten einen tierischen Spaß dabei, sich für die Strecke im Beiboot hinterherziehen zu lassen. Die Insel bot mehrere Besonderheiten: Erstens war sie unbewohnt und Jakob hatte schon die ganze Woche den Wunsch geäußert, eine unbewohnte Insel zu erforschen. Zweitens befand sich auf der Insel ein runder Meerwasserpool, der durch einen unterirdischen Tunnel mit dem Meer verbunden war, durch den man von der Seeseite aus hindurchtauchen konnte. Und drittens hatte die steile Felsküste ein Labyrinth aus Höhlen und natürlichen Felstunneln geschaffen, die man mit dem Beiboot oder schnorchelnd entdecken konnte. Beim Schnorcheln konnte man neben spektakulären Unterwasser-Felslandschaften auch eine Vielzahl großer bunter Fische entdecken. Insgesamt also ein richtig spannender Ort und in der Nebensaison hatten wir ihn ganz für uns allein.

 

 

 

 

 

 

Den Rest des Tages nutzten wir, um östlich an Leros vorbeizusegeln und letztendlich die Bucht Emporios auf Kalymnos zu erreichen, wo wir zur Feier des Tages in der Taverne von Captain Kostas zu Abend aßen.

Am nächsten Tag mussten die Jungs mal wieder durchbewegt werden, schließlich waren wir zuvor fast einen ganzen Tag nur auf See. Und so wanderten wir zum Klettersektor oberhalb Emporions, wo wir nicht nur von einer tollen Aussicht, sondern auch spannender Kraxelei belohnt wurden. Philip brauchte noch mehr Bewegung und rannte nach Masouri, während Ellen, die Kinder und ich mit dem Boot dorthin fuhren und ihn am Fährsteg wieder einsammelten. Weiter ging es nach Nera, einer kleinen Insel südlich von Kalymnos, wo wir uns in der einzigen kleinen Bucht mit Buganker und mehreren Leinen zwischen den Ufern verspannten. Die Fallböen waren sehr stark und erfassten Moana von verschiedenen Seiten, sodass zumindest für mich nur wenig Schlaf blieb. Dennoch war der Ort wunderschön.

Der letzte Tag der Woche war gekommen und nachdem wir dem Windschatten der Insel entkommen waren, setzten wir die Segel und Jakob steuerte uns routiniert zum Hafen von Mastichari. Hier würden die fünf das Boot verlassen und ich es für die nächste Crew, die schon am Folgetag kommen würde, vorbereiten. Denn die Marina von Kos hatte keinen einzigen freien Platz, sagte man mir am Telefon, und Mastichari lag zwar etwas ungünstiger, bot aber auch guten Schutz. So weit die Theorie. Denn nachdem das Segel geborgen und alles für das Hafenmanöver vorbereitet war, die Fender hingen, die Festmacherleinen angeschlagen, der Anker klar zum Fallen war und wir die Hafenmole passiert hatten, rief ein Mitarbeiter der dort liegenden Fähre uns unfreundlich zu, dass der Hafen nicht für uns geeignet wäre, “the water is deep”. Wir sollten lieber zur gegenüberliegenden Insel Pserimos fahren. Gewiss meinte er “zu flach”, denn das sandige Becken hatte hinter dem Fähranleger aus meiner Erfahrung vor ein paar Jahren tatsächlich nur um die 2m Tiefe. Das war natürlich keine Option, denn die Crew musste ja zum Flughafen Kos und die nächste Crew würde am Flughafen Kos ankommen. Und da ich schließlich schon einmal mit einem deutlich größeren und tieferen Charterboot im Hafen von Mastichari gewesen war und auch das funktioniert hatte, rief ich ihm zu, dass das passt und er sich um seinen eigenen Kram kümmern solle. Wenn in der Wortwahl auch nicht ganz so stark. Peinlicherweise machte es keine zehn Meter weiter “SSSSssssst” und wir steckten im Sand fest. Fluchend versuchte ich, das Schiff gegen den auflandigen Wind wieder frei zu bekommen. Nach ein paar Versuchen gelang es und wir verließen den Hafen unter etwa 50 Augenpaaren aller Fährpassagiere wieder. Der Stadthafen von Kos war nun noch die einzige Option und so setzten wir erneut Segel und die Fünf bekamen die 17 Seemeilen nach Kos Stadt gratis dazu. Der Hafen war zwar relativ gut gefüllt, aber eine kleine Lücke gab es für uns glücklicherweise und so zwängten wir uns hinein. Eine schöne Segelwoche ging zu Ende.