Eine knappe Woche verbrachten wir in und um Dublin, besichtigten die Stadt, gingen zum Frisör und erledigten ein paar Dinge am Boot, während es größtenteils sehr windig war und in Strömen regnete. Elektronische Seekarten zu bekommen war jedoch selbst hier schwierig, obwohl es riesige Marinas mit tausenden Booten gab. Nachdem ich meine Tageskarte für die DART-Bahn gut ausgenutzt und in mehreren Seefahrtbedarfsläden im Großraum Dublin erfolglos geblieben war, erhielt ich in einer anderen Marina doch immerhin eine Handynummer von Tony. Dieser solle wohl an den Stoff kommen, sei aber chronisch schwer zu erreichen. Nach mehreren erfolglosen Anrufen bekam ich irgendwann immerhin eine Nachricht von ihm, “write me a message”. Immerhin, so stellte sich nach kurzem Kontakt heraus, konnte er tatsächlich Seekarten herunterladen und auf SD-Karten speichern, und das mit irgendeiner Art Dauerabonnement zu einem sehr günstigen Preis. Uns würde er dafür die Hälfte des Marktpreises abverlangen und so ergab sich eine klassische Win-Win-Situation und ich bestellte gleich noch das Kartenpaket für Skandinavien und Ostsee mit dazu. Um 15 Uhr sollte ich mich im Royal Irish Yacht Club einfinden, dort säße er an der Bar. Der Türsteher ließ mich nach kurzer Erklärung passieren und so betrat ich die pompöse Villa des Clubs. Weiß eingedeckte Tische mit geometrisch perfekt ausgerichtetem Besteck, Kerzenständern und auf Hochglanz polierten Weingläsern schmückten den vorderen Teil der altehrwürdigen Halle, Couchecken mit bestimmt einhundert Jahre alten, aber perfekt gepflegten Möbeln den hinteren. An der Rückwand befand sich ein gigantischer Kaminofen und darüber ein ebenso gigantisches Porträt eines Sirs auf einem Rosse, gemäß der goldenen Tafel der Gründer des königlichen Yachtclubs. Hier und da saßen ein paar vorwiegend ältere Herren im Jackett und ein paar wenige Damen auf den Sofas und genossen ihr Bier. Mit kurzer Hose und T-Shirt kam ich mir etwas deplaziert vor. Das Vereinsleben der jüngeren Generation schien sich vorwiegend draußen auf den Terrassen abzuspielen, wo bunte Scheinwerfer zur Musik aus großen Lautsprechern tanzten und eine Bar große Trauben aus jungen SeglerInnen um sich versammelte. Immerhin fand an diesen Tagen eine große Regatta statt und entsprechend belebt waren Club, Marina und auch die angrenzende Stadt, wo zu diesem Anlass sogar ein kleiner Rummel aufgebaut worden war. Tony erwartete mich auf einem der Sofas, er war ein bestimmt 1,90m großer, gepflegter, geschätzt 70-jähriger Mann mit weißem Haar und gewitztem Blick, mit dem ich in den nächsten zwei Stunden das Vergnügen hatte, während die Seekarten ihren Weg durch das überlastete WLAN des Yachtclubs auf seinen Rechner fanden. Er fragte mich Löcher über unseren Törn in den Bauch und erzählte mir selbst viel über seine wilde Vergangenheit mit Geschäftsreisen, Frauen, Autos und natürlich Segeln. Alle paar Minuten kamen Leute vorbei, die ihn fröhlich begrüßten und sichtlich erfreut waren, dass er mal wieder seinen Weg in den Yachtclub gefunden hatte. Dann stellte er mich jeweils wie einen guten Bekannten vor mit kurzer Beschreibung unseres Törns, und so wurde ich in zig Smalltalks verwickelt. Trotz des pompös-abschreckenden Charakters der Räumlichkeiten waren die Menschen in ihnen sehr freundliche, interessierte, bodenständige Leute und es war fast schade, nur als Gast dort zu sein.

Mit neuen Seekarten ausgerüstet segelten wir entlang der Küste nach Bangor/Nordirland und weiter über den North Channel nach Schottland. Mit Strömung bis zu 3kn und schweren brechenden Seen bei gegen die Dünung laufendem Strom wollte die Umrundung des berühmt-berüchtigten Mull of Kintyre gut geplant sein, doch dann machte es Spaß, mit 8-9kn über Grund voranzukommen. Durch zunehmend gebirgige Landschaften segelten wir bis zur Insel Gigha, wo der Anker in der hervorragend geschützten nördlichen Bucht fiel. Auf einer kleinen Beiboottour sahen wir sogar eine Seehundsfamilie. Die ebenfalls in der Bucht ankernden Franzosen fuhren ebenfalls mit dem Beiboot an Land, setzten sich ans Ufer und drehten laut “Cotton Eye Joe” auf. Eine lustige Runde im Nirgendwo. Unser nächster Tagesschlag führte uns nach Crinan, wo wir mit richtig schottischem Wetter begrüßt wurden. Da keine Aussicht auf Besserung bestand, machten wir trotz Dauerregens einen Spaziergang entlang des Crinan Canals (er wäre unsere Alternativroute gewesen, hätte aber mit einer dreistelligen Befahrungsgebühr zu Buche geschlagen) und durch den Regenwald, der sich dort tatsächlich auch so nannte.

Hinter Crinan wartete eine der navigatorischen Schlüsselstellen auf uns: Durch die Passagen Dorus Mor und den Sound of Luing floss der Gezeitenstrom schneller als unser Boot segeln konnte und passt man nicht auf, so schreibt der Revierführer, wird man nach Westen in den Golf von Corryvreckan gespült, wo riesige Strudel schon kleinere Boote verschlungen haben sollen. Wie empfohlen durchfuhren wir die Passagen, während der Strom gerade kenterte, und waren nahezu gelangweilt, weil was Wasser absolut ruhig war: ein Knoten Strom, keine Wellen, keine Stromschnellen. Hatten uns im Nachhinein fast gewünscht, 1-2h später hindurchgefahren zu sein, um wenigstens ein kleines bisschen Wildwasser zu erleben. Aber besser so als andersherum. Durch großartige Landschaften und einen immer schmaler werdenden Sund fuhren wir weiter in die schottischen Highlands hinein, bis wir abends am Anlegesteg von Fort William festmachten. Leider passte das Wetter nicht für eine Wanderung auf Großbritanniens höchsten Berg Ben Nevis, aber ein paar kleinere Touren unternahmen wir trotzdem.