Die Überfahrt zu den Scilly Islands stand an! 125 Seemeilen, für uns entsprechend etwas über 24h, fühlten sich nach der Biskaya fast wie ein Katzensprung an. Um 6 Uhr morgens starteten wir und während der Wind in den ersten Stunden noch auf sich warten ließ, schob uns der Ebbstrom zuverlässig durch den berüchtigten Chenal du Four nach Nordwesten. Turbulente Strömung und viele Felsen und Untiefen machten die Fahrt anspruchsvoll, aber insgesamt war es doch eher harmlos. Auf der offenen See hinter der uns schon bekannten Ile d’Ouessant setzte dann auch der Wind ein und auf tiefem Anwindkurs machten wir durch die relativ ungemütliche Welle leider nicht so viel Fahrt wie erhofft. Voran ging es aber allemal und interessant blieb es auch, da wir immerhin die Ausläufer des Ärmelkanals passierten, der immerhin zu den am stärksten befahrenen Schifffahrtsrouten der Welt gehört. Mit immer einem Auge auf dem AIS querten wir die Straße teils vor, teils hinter riesigen Containerschiffen und Mehrzwecktrockenfrachtern (das Wort hatten wir von Thomas gelernt und waren sehr stolz darauf) und fühlten uns wie beim Radeln durch Berlin. Fredi machte die ungemütliche See leider sehr zu schaffen und so übernahm ich allein die komplette Wache, bis am nächsten Morgen um kurz nach 7 Uhr endlich die Scilly Islands in Sicht kamen. Die Begrüßung war sehr britisch: Dichte Bewölkung, feucht-kühle Luft und Sprühregen ließen nun keinen Zweifel mehr aufkommen, dass wir die warmen Regionen Südeuropas endgültig hinter uns gelassen hatten. Die Scilly Islands sind ein Archipel westlich der äußersten Spitze Cornwalls im offenen Atlantik und haben den Ruf, Großbritanniens Karibik zu sein. Durch das milde Seeklima wachsen dort sogar Palmen und viele Sandstrände und kristallklares Wasser lassen, bei entsprechendem Wetter, so richtig Urlaubsstimmung aufkommen. Die Ankerbucht zwischen St. Agnes und Gugh versprach bei den aktuellen Bedingungen guten Wind- und Wellenschutz und so ankerten wir dort zwischen zahlreichen anderen Segelbooten. Nach Ausschlafen und Wetterbesserung erkundeten wir die abgelegenen und sehr lieblichen Inselchen. Nur eine Handvoll Einwohner lebten auf St. Agnes, auf Gugh gab es sogar nur genau ein Haus. Auch die Touristenmenge hielt sich in Grenzen: Ein paar vorwiegend britische und französische Segelcrews aus der Bucht waren mit ihren Beibooten am die zwei Inseln trennenden Strandstreifen angelandet und eine Bootsladung voller Besucher, die von der Hauptinsel St. Mary’s für einen Tagesausflug mit der Mini-Fähre angekommen waren, belebten die Insel für ein paar Stunden am Tag zusätzlich. Nach dem Ablegen der Fähre am Nachmittag kehrte absolute Ruhe ein.

Ein paar Tage blieben wir in der Bucht, bevor wir ein paar Meilen weiter zur Hauptinsel St. Mary’s fuhren, da relativ starke Winde und Seen angesagt waren, gegen die unsere Bucht keinen ausreichenden Schutz bot. Richtige Häfen gab es auf den Scilly Islands nicht bzw. keinen für herkömmliche Segelyachten, da der Haupthafen von St. Mary’s bei Niedrigwasser trockenfällt. So entschieden wir uns für die Bucht Porth Cressa auf der Südseite von St. Mary’s. Und wir waren nicht die einzigen: Unzählige Yachten lagen bei unserer Ankunft bereits vor Anker und nur mit Mühe ließ sich ein Ankerplatz mit knapp ausreichendem Sicherheitsabstand zu den Schwojkreisen der anderen Boote finden. Auch St. Mary’s gefiel uns sehr gut. Die Menschen waren sehr freundlich und die Landschaft und Blumenwelt famos. Der Rundwanderung um die leicht hügelige Insel war lieblich und führte zu entlegenen Sanstränden, durch bunte Vegetation, über Weiden, an Bauernhöfen vorbei und als Besonderheit über die Landebahn des Flughafens. Lediglich ein kleines Blinklicht vor dem Übergang forderte einen bei Flugbetrieb dazu auf, das startende oder landende Flugzeug vor dem Fortsetzen der Tour abzuwarten.

 

Während draußen eine steife Brise wehte, lagen wir in der Bucht zwar windgeschützt, aber die Welle arbeitete sich vor allem bei Hochwasser (der Tidenhub war mit 5-6m durchaus beachtlich) um den schützenden Landzipfel herum und bescherte uns unruhige Nächte. Nach einer knappen Woche auf den Scillies beschlossen wir, ein zwar nicht perfektes, aber immerhin geeignetes Wetterfenster zu nutzen und die Überfahrt nach Irland anzutreten, da ein Sturmtief vorhergesagt war, das drei Tage später bei uns eintreffen sollte. Das würde ohne sicheren Hafen bestimmt keinen Spaß machen und so liefen wir schon morgens um 5 Uhr aus, um möglichst lange brauchbare Windrichtungen zu haben. Da der Wind zunehmend auf Nord drehen sollte, hielten wir bewusst nach Westen vor und segelten dadurch in einer großen Kurve nach Irland. Immerhin ging die Rechnung auf und wir konnten die gesamte Strecke auf einem Bug zurücklegen. Mit gerefften Segeln und starker Krängung kämpfte sich Moana durch die ungemütlichen Bedingungen.

Im Gegensatz zur Fahrt von Brest zu den Scilly Islands begegneten wir auf der gesamten Fahrt nur einem einzigen Schiff, einer britischen Segelyacht, die uns wenige Stunden nach dem Auslaufen entgegenkam. Deren Skipper hatte nach über 24h auf See keinen aktuellen Wetterbericht mehr abrufen können und fragte uns höflich in gestochenem Oxford-Englisch, ob wir ihm einen aktuelleren Bericht liefern könnten, was wir gern taten. Er erinnerte mich etwas an einen alten britischen Professor, der in Lagos lag und jeweils für Tagesausflüge mit seiner Frau hinausfuhr. Sein Schiff war groß, seine Reaktionen nicht mehr die besten und obendrein fuhr er jedes Hafenmanöver mit voller Fahrt, was Fredi dazu veranlasste, sich bei jedem seiner Anleger mit einem Fender in der linken, einem in der rechten Hand und einem zwischen den Zähnen wie ein Torwart angespannt an Deck zu stellen. Uns traf er zwar nie, dafür aber einmal mit Schmackes den Steg. Nachdem sein spitzer Bug mit dumpfem Scheppern ein dreieckiges Stück Holz aus dem ächzenden Schwimmsteg herausgestanzt hatte, kommentierte er nur völlig ruhig “Well, we have had better landings, haven’t we.” Zur Vollendung des Klischees fehlte eigentlich nur noch eine Teetasse in seiner Hand. Doch zurück in den Nordatlantik. Rosslare erreichten wir am nächsten Mittag und vor der irischen Küste beruhigte sich auch die See zunehmend, bis direkt vor der Küste Bedindungen wie auf der Havel vorherrschten. Der Wind verhielt sich leider auch so und war in Lee des Landes stark böig, sodass wir immer wieder stark refften, wieder ausrefften und manchmal sogar den Motor nutzen mussten. Da wir zufällig perfekt zum Beginn des nordgehenden Gezeitenstroms vor Rosslare ankamen und uns immer noch der angesagte Sturm im Nacken lag, beschlossen wir, in einem Rutsch bis nach Dun Laoghaire, einem der großen beiden Yachthäfen Dublins, durchzusegeln. Das einzige, was dagegen sprach, war die Angst vor dem Anfunken des Hafens, da wir keinerlei Vorstellung hatten, wie man “Dun Laoghaire” wohl aussprach. (Später lernten wir, dass es “Dun Leerie” ausgesprochen wird, die spinnen, die Iren…) Und so segelten wir mit achterlichem Strom mit hoher Geschwindigkeit entlang der Küste weiter nach Norden. Fix und fertig, aber glücklich, setzten wir am späten Abend des zweiten Segeltags zum ersten Mal einen Fuß auf irischen Boden und freuten uns auf die kommenden Pausentage.